Wie Bewerbungscafés die Jobsuche voranbringen
Gemeinsam stark: Bewerbungscafés helfen, bei der Stange zu bleiben, wenn sich die Stellensuche hinzieht (Foto: Woodapple/Fotolia).

Wie Bewerbungscafés die Jobsuche voranbringen

Keine Lust mehr auf Einzelkämpfertum? Wer sich mit anderen zusammentut, motiviert sich bei der Stellensuche gegenseitig. Wir erklären, wie man ein Bewerbungscafé gründet.

Text: Andreas Pallenberg

Bei uns im Bonner Wissenschaftsladen tagt seit Jahren recht erfolgreich und regelmäßig ein Bewerbungscafé. Arbeitsuchende Akademiker/innen treffen sich einmal im Monat, um von ihren Erfahrungen beim Berufseinstieg zu berichten und sich gegenseitig zu beraten. Dieses Networking haben wir in der Redaktion von Anfang an begleitet. Da wir immer wieder nachgefragt werden, wie solch ein Bewerbungscafé gegründet wird und wie es funktioniert, gibt es hier – quasi als Rezept – ein paar Tipps aus der Praxis.

Die Zutaten:

1. ein Raum mit Tischen und Stühlen, möglichst warm, trocken und umsonst
2. Getränke und hin und wieder etwas Selbstgebackenes
3. eine gute gemeinsame Idee
4. etwas Programm und Struktur
5. eine Kontakt- und Organisationsperson
6. ein festes Datum
7. die Bereitschaft, zu geben und zu nehmen
8. professionelle Kommunikation nach innen und nach außen

1. Die Raumfrage
Hört sich einfach an, gestaltet sich aber mitunter recht diffizil. Mit Geld lässt sich das natürlich in jeder Kneipe regeln. Aber auch ohne Geld, und das entspricht eher der Situation der üblichen Interessent/innen an Bewerbungscafés. In diesem Fall nehme man Kontakt auf zu Einrichtungen, die solche Veranstaltungen entweder unter ihrem Dach dulden oder sogar fördern. Geeignete Partner sind Gewerkschaften, Kirchen, karitative Einrichtungen, Schulen oder private Bildungsträger. Man empfiehlt sich als Arbeitsgruppe mit einer guten Idee, aber ohne Gewinnerzielungsabsichten. Neben inhaltlich überzeugenden Worten sind bestehende Kontakte zu solchen Einrichtungen absolut förderlich. Wer dann noch einen passenden Flyer, einen Blog oder eine informative Homepage zu bieten hat, wirkt professioneller und kommt schneller zum Ziel.

Dann gilt es, zeitliche Lücken zu finden, in denen die Einrichtung nicht genutzt wird und somit eine Gastveranstaltung störungslos möglich ist. Mündliche Verabredungen dazu sollten genügen, besser ist aber eine kurze Nutzungsvereinbarung, die im Bedarfsfall auch gegenüber Dritten die Rechtmäßigkeit dokumentiert. Auch so profane Dinge wie die Schlüsselverantwortung müssen geregelt werden. Bildungsträger können unter Umständen sogar daran interessiert sein, die Veranstaltung für sich zu verbuchen.

2. Catering
Ein Bewerbungscafé ist keine Seminarveranstaltung. Deshalb sollte man mit passenden Getränken und etwas Nahrhaftem für Atmosphäre sorgen. Das lässt sich informell und „irgendwie" regeln. Aber der Aufwand darf nicht unterschätzt werden. Da grüßt die WG, denn schnell sind es immer wieder dieselben Leute, die anschließend die Tische abwischen und aufräumen.

3. Die Idee
Eine Gruppe Interessierter verständigt sich über die Gründung eines Bewerbungscafés oder eines Bewerbungsstammtisches in einer Stadt oder Region. Wichtig dabei ist, dass man sich auf den inhaltlichen Fokus (zum Beispiel Austausch und gegenseitige Hilfe im Bewerbungsprozess) verständigt und die Zielgruppe (zum Beispiel Akademiker/innen mit „arbeitsmarktfernen" Studien­abschlüssen aller Altersgruppen) möglichst eindeutig umreißt. Sehr sinnvoll ist es, darauf hinzuweisen, dass dort kein fertiges Programm geboten wird, sondern dass man als Beteiligte/r selbst das Programm ist bzw. mitgestaltet. Sehr zu empfehlen ist der Hinweis, dass es sich um eine offene Gruppe handelt. Neue Mitglieder sollten jederzeit das Gefühl haben, mit ihren Problemen willkommen zu sein, auch wenn im Plenum das Thema Bewerbungsunterlagen schon dreimal „durch" ist.

4. Das Programm
„Es gibt kein Programm – du bist das Programm", so die Grundstruktur der Bewerbungscafés. Das Projekt lebt schließlich von der Begegnung der Teilnehmenden untereinander. Gibt es neue Teilnehmer/innen, sollten sie deshalb auch vorab begrüßt werden und sich kurz mit ihrem Anliegen vorstellen können, um Anknüpfungspunkte für Gespräche zu bieten. Dennoch kann es sehr von Vorteil sein, die einzelnen Treffen unter ein Motto oder ein Thema zu stellen (zum Beispiel Arbeitszeugnisse, Initiativbewerbung, Jobmessen...). Dazu kann eine Person einen kurzen inhaltlichen Input vorbereiten, damit man schnell darüber ins Gespräch kommt. Bei größeren Gruppen ist es hilfreich, eine Moderation vorzusehen. Abschließend wird das Thema der nächsten Sitzung vorgeschlagen.

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Für bestimmte Programmpunkte lassen sich auch Referent/innen ohne Honorar gewinnen, sofern sie über das Bewerbungscafé diskret Werbung für ihre Dienstleistungen machen können (zum Beispiel Coaches, Fortbildungsveranstalter, private Arbeitsvermittler, Psycholog/innen) oder ihre Institution in die Öffentlichkeit bringen können (Agentur für Arbeit, Arbeitsloseninitiative, Career-Service). Ein Programm bietet auch Stichwörter für die örtliche Presse und die sozialen Medien, wenn es um das Gewinnen neuer Mitglieder geht. Nach dem „Programm" sollte aber immer wieder die offene "Café"-Situation hergestellt werden, in der die Beteiligten sich zwanglos begegnen können.

5. Verantwortliche Ansprechperson
Bei aller hierarchiefreien Selbstverwaltung – es muss eine Person her, die als Ansprechpartner/in für alle Beteiligten nach innen und außen fungiert. Die ebenfalls verantwortlich ist für alle praktischen Details wie Auf- und Abschließen der Räume, Terminfragen, Inhalte, Abläufe, Kooperationspartner und die Presse. Hört sich nach viel an, und dann auch noch ehrenamtlich. Ein paar verlässliche Leute können das auch als Team erledigen, wenn die Verantwortung sauber verteilt ist ...

Und solches Tun zahlt sich aus. Die Macher/innen lernen jede Menge dabei und können später auf diese Projekterfahrung zurückgreifen. Das ist unter Umständen sogar etwas für den Lebenslauf! Soft Skills wie Engagement, Initiative und Kreativität lassen sich mit dem Management eines selbstinitiierten Bewerbungscafés konkret belegen. Ist absehbar, dass man aus bestimmten Gründen nicht mehr verantwortlich mitmachen kann, sollte dies so früh wie möglich nach innen und nach außen kommuniziert werden, damit andere nahtlos die Verantwortung übernehmen können.

6. Jour fixe
Termine mit mehreren Personen immer wieder neu auszuhandeln und anschließend über verschiedene Medien zu verwalten, kann zu Alpträumen oder zu ehrenamtlicher Vollbeschäftigung führen. Man wähle deshalb einen festen Termin, zum Beispiel jeden ersten Mittwoch im Monat um 18 Uhr. Dieser Jour fixe bildet den Grundrhythmus und wird nur im Notfall getauscht. Und wenn er zu Ferienzeiten ausfällt, weiß jeder, wann es anschließend wieder losgeht. Tipp: Zusätzlich sollte man rein informationshalber bestimmte Schlüsselpersonen am Tagungsort ebenfalls rechtzeitig über Veränderungen informieren. Das kann der Hausmeister sein, das Sekretariat, die Kontaktperson etc.

Eine regelmäßig ausgelegte Teilnehmerliste mit E-Mail-Adressen hilft bei der Adressaktualisierung, bei der kurzfristigen Kontaktaufnahme und bei der eventuell möglichen Abrechnung bei Bildungswerken.

7. Gegenseitigkeit
Je nach Temperament bringen sich die Teilnehmenden unterschiedlich ins Plenum ein, bei der Verantwortlichkeit wie auch bei den Einzelgesprächen. Gut so, denn Vielfalt ist gefragt. Allerdings sollten alle darauf achten, dass die Bilanz des Gebens und Nehmens einigermaßen ausgeglichen ist. Wer nur die guten Tipps der anderen abzieht und sich dann nicht mehr blicken lässt, hat die Idee des Bewerbungscafés nicht verstanden. Eine große Bereicherung sind Leute, die es in den Job geschafft haben und trotzdem noch im Bewerbungscafé auftauchen.

8. Öffentlichkeit
Befindet man sich im Aufbau, ist die öffentliche Aufmerksamkeit wichtig. Dazu wird über die sozialen Medien getrommelt und vielleicht auch klassisch über Aushänge in Universitäten, Career-Services, Bibliotheken und den Agenturen für Arbeit, in Kommunikationszentren, Stadtteil- und Quartiersbüros, Nachbarschaftsinitiativen, Alumni-Aktivitäten, Arbeitsloseninitiativen etc. Auch Szenezeitschriften in Großstädten bzw. die Lokalpresse sind Ansprechpartner für redaktionelle Beiträge oder Terminhinweise. Und wer will, kann auch über uns für seine Initiative werben. Wir nehmen entsprechende Aufrufe gerne kostenlos zur Veröffentlichung auf.

Los geht's!

Wie das so ist mit Rezepten: Sie bieten Orientierung und werden erst richtig gut, wenn man sie verfeinert, abwandelt oder ergänzt. Dazu wollen wir hiermit ausdrücklich ermuntern. Letztendlich ist auch Geduld gefragt, besonders, wenn man in der Gründungsphase nicht sicher ist, ob sich die Sache trägt.

Bis sich eine solche Einrichtung etabliert hat, vergeht schon mal ein Jahr. Ein großes Problem ist die Fluktuation. Und die ist praktisch Teil der Konstruktion: Wer es geschafft hat in den Arbeitsmarkt, der bleibt irgendwann weg. Umso wichtiger ist es, dass dann auch der Staffelstab rechtzeitig weitergegeben wird. Es muss immer neue Leute geben, die die Fäden in die Hand nehmen, damit es nicht zu unnötigen organisatorischen Pannen kommt.

Eine Frage stellt sich auch bei uns im Haus immer wieder, ohne dass sie hinreichend beantwortet werden könnte: Warum kommen mal 40 und dann mal wieder nur vier Leute? Wetter? Weltmeisterschaft? Brückentag? Wir wissen es auch nach Jahren nicht. Und es ist eigentlich auch nicht so wichtig, denn der gewünschte Effekt ist grundsätzlich gegeben: Man fühlt sich nicht allein ... man bekommt Feedback, neue Impulse, Kontakte, lernt voneinander und hat Struktur in einer Phase, in der man sie am meisten braucht. Also: Leute ansprechen, Raum suchen und anfangen! Wir freuen uns auf Ihr Feedback.

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