Stellenanzeigen unter der Lupe
Mal sind die Jobtitel einfach unglücklich gewählt, aber manchmal steckt auch eine Intention der Arbeitgeber dahinter. Bewerber/innen sollten sich davon nicht abschrecken lassen.

Stellenanzeigen unter der Lupe

Auf der Jobsuche stoßen Bewerberinnen und Bewerber immer wieder auf Stellenbezeichnungen, mit denen sie auf den ersten Blick nichts anfangen können. Es lohnt sich, genauer hinzuschauen.

Text: Janna Degener

Was ist eigentlich ein „Desk Officer for Digital Media“? Und worum kümmert sich ein „Director of Excecutive Education“? Was sind die Aufgaben eines „Knowledge Managers“ oder einer „NATURA 2000-Managerin“? Jobbezeichnungen in Stellenausschreibungen sind für Laien oft auf den ersten Blick unverständlich. Das mag teilweise daran liegen, dass die Arbeitswelt sich aufgrund des technischen Fortschrittes ständig weiterentwickelt, sodass neue Berufsbilder entstehen, für die auch neue Bezeichnungen gefunden werden müssen.

Manchmal benutzen Personalabteilungen aber auch Abkürzungen, die weniger geläufig sind als vermutet. Englisch ist in vielen großen Konzernen die Umgangssprache, aber nicht jeder Jobsuchende beherrscht auch das Fachvokabular in der Fremdsprache – denn in vielen Positionen ist das im Alltag ja gar nicht notwendig. Daher entstehen in Stellenbezeichnungen manchmal überflüssige Anglizismen, die vermeintlich hip und international klingen. Da viele Berufsbezeichnungen zudem an die Anforderungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes angepasst werden sollen, entstehen sperrige Konstrukte, die von den wirklich wichtigen Informationen ablenken können.

Arbeitgeber bessern sich

Dabei sind die ganz großen Zeiten der unverständlichen Stellenanzeigen inzwischen passé. „Es gab einmal eine Zeit, als vielerorts noch gemeint wurde, dass man Personalmarketing so nebenher machen und von Azubis oder Praktikanten erledigen lassen kann. Doch seit einigen Jahren gibt es auch in mittelständischen Unternehmen Abteilungen und große Personalmarketing-Mannschaften, die sich, ausgestattet mit ordentlichen Budgets, dezidiert um das Thema kümmern“, erklärt Jannis Tsalikis, Mitorganisator der Goldenen Runkelrübe, einem Preis, der von 2013 bis 2015 für herausragend schlechte Personalkommunikation verliehen wurde.

Selbst kleine Betriebe seien sich inzwischen bewusst, dass professionelles Personalmarketing, Recruiting und Employer Branding notwendig seien, sodass  unverständliche Stellenanzeigen tendenziell selten geworden seien. Allerdings seien manche Stellenanzeigen auch heute noch nicht explizit oder scharf genug.

 

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„Zuweilen ist das sicherlich die Intention der jeweiligen Personaler und nicht zwingend auf Inkompetenz zurückzuführen. Denn je breiter ich die Stellenanzeige anlege, desto mehr potentielle Bewerbungen bekomme ich. Und je präziser ich in den Stellenanzeigen bin und je genauer ich auf die Anforderungen eingehe, desto weniger Bewerbungen bekomme ich. Das bedeutet dann wiederum weniger Auswahl“, sagt Jannis Tsalikis. Klar ist: Stellenanzeigen müssen nicht für jeden verständlich sein, denn Bewerber/innen sollten sich im jeweiligen Feld auskennen und wissen, worum es geht.

Neben der Jobbezeichnung selbst enthalten Stellenanzeigen in der Regel weitere Informationen zum Unternehmen, zu den Aufgaben, die die Stelle umfasst, sowie zu den Kompetenzen, die dafür benötigt werden. Auch hier können schwammige und missverständliche Formulierungen auftauchen, sodass Bewerber/innen immer wieder zwischen den Zeilen lesen müssen. Was kann es etwa bedeuten, wenn ein Unternehmen sich als „dynamisch“ beschreibt? Warum könnte die Stelle „ab sofort“ zu besetzen sein? Warum ist von einem „attraktiven“ Gehalt die Rede und nicht etwa von einem „überdurchschnittlichen“?

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Im Zweifel nachrecherchieren

Darüber hinaus haben Bewerber/innen natürlich die Möglichkeit, ernsthaftes Interesse zu beweisen, indem sie Unverständliches in Ruhe nachrecherchieren und dafür Internet­ressourcen, Literatur, aber auch Netzwerke anzapfen. „Es gibt heute zu jedem Berufsbild tonnenweise Material. Wenn man ein bisschen recherchiert hat, wird man schon wissen, worum es im Wesentlichen geht“, sagt Jannis Tsalikis. Im Zweifel könne es durchaus helfen, einen Experten oder eine Expertin zu fragen.

Michael Hümmer zum Beispiel, Berufsberater der Agentur für Arbeit Fürth, gibt gerne eine Erklärung zu den oben genannten Jobbezeichnungen: „Ein ‚Desk Officer for Digital Media‘ ist vermutlich ein Sachbearbeiter für die Erstellung von digitalen Medien. Anders als ein Content Manager ist er wahrscheinlich nicht für die inhaltlich-konzeptionelle Arbeit, sondern für die Eingabe zuständig.

Ein ‚Director of Excecutive Education‘ kümmert sich vermutlich entweder firmenintern um die Leitung der betrieblichen Weiterbildung oder ist bei einer Bildungseinrichtung oder einem Bildungsträger tätig. Ein ‚Knowledge Manager‘ kümmert sich um das betriebliche Wissensmanagement, weiß und organisiert also, was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie und wo finden, und sammelt Wissen. Und eine ‚NATURA 2000-Managerin‘ organisiert wahrscheinlich ein Projekt zu einem bestimmten Thema.“

Gut informiert nachfragen

Wenn Bewerber/innen sich eine grobe Vorstellung von dem Stellenprofil verschafft haben, spricht auch nichts dagegen, beim potentiellen Arbeitgeber nachzufragen, und um die Präzisierung bestimmter Aspekte zu bitten. Das ist jedenfalls Erfolg versprechender, als einfach eine 08-15-Bewerbung loszuschicken oder die Stellenanzeige aus Bequemlichkeit von vornherein auszusortieren – wie es sicherlich viele der potentiellen Mitbewerber/innen tun werden.

Michael Hümmer rät Bewerber/innen übrigens generell davon ab, die Überschrift von Stellenanzeigen zu lesen: „Ein Stellenprofil ist drei- bis vierteilig aufgebaut. Den Personaler oder die Personalerin – und das ist für mich als Bewerber oder Bewerberin ja mein Adressat – interessiert, ob ich den Job kann. Deswegen sollte ich als Bewerber oder Bewerberin den ersten Blick auf die Aufgaben werfen und mich fragen, ob ich mich damit tagtäglich von 8 bis 18 Uhr beschäftigen kann und will. Wenn ich das bejahen kann, schaue ich mir die Wunschanforderungen des Arbeitgebers an. Welche Qualifikationen wünscht er sich? Wenn hier auch eine Übereinstimmung von mindestens circa 50 Prozent besteht, dann schaue ich mir die Unternehmensbeschreibung an, die meist ganz oben steht, um zu schauen, ob ich mich mit dem Produkt, dem Thema und der Branche identifizieren kann. Und wenn das alles passt, bewerbe ich mich – völlig unabhängig vom Jobtitel!“

Stellenanzeigen Schritt für Schritt entschlüsseln

  • Jobtitel ignorieren: Die Stellenbezeichnung selbst sagt oft wenig darüber aus, worum es eigentlich geht.
  • Aufgaben analysieren: Welche Tätigkeiten umfasst der Job konkret?
  • Anforderungen abgleichen: Welche Kompetenzen erwartet der Arbeitgeber von mir? Welche kann ich vorweisen und welche kann ich mir bei Bedarf aneignen? Lassen Sie sich von einer umfangreichen „Wunschliste“ des Arbeitgebers nicht abschrecken.
  • Unternehmensbeschreibung prüfen: Passt der Arbeitgeber zu mir? Wie stellt er sich selbst dar?
  • Im Zweifel nachrecherchieren: Nehmen Sie sich die Zeit, unverständliche Begriffe nachzuschlagen und weitere Informationen zum Berufsbild einzuholen,  gegebenenfalls auch direkt beim Arbeitgeber. Jeder Anruf sollte allerdings sehr gut vorbereitet sein – er trägt bereits zum ersten Eindruck bei.

In der Serie „Jobs unter der Lupe“ analysieren unsere Experten in den Infodiensten Stellenausschreibungen und zeigen, worauf es bei der Bewerbung ankommt:

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