Lehrkräfte haben zentrale Qualifikations-, Bildungs- sowie Erziehungsaufgaben und tragen sowohl zur Stabilität der Gesellschaft als auch zur Weiterentwicklung zukünftiger Generationen bei. Nicht nur die hohe Beschäftigtenzahl dieser Berufsgruppe mit einem annähernd vergleichbaren Verantwortungsprofil und Qualifikationsniveau, sondern auch die Beschäftigungsstruktur sind für die ärztliche Betreuung relevant. Im Jahr 2012 waren in der EU 2 % (circa 5 Millionen) der Erwerbsbevölkerung Lehrkräfte (e1). Im Schuljahr 2012/13 gab es in Deutschland 797 257 Lehrkräfte, davon waren 498 273 in Vollzeit, 298 984 in Teilzeit, 148 361 stundenweise in allgemeinbildenden und beruflichen Schulen tätig. 58 % der Vollzeitbeschäftigten und 85 % der Teilzeitbeschäftigten sind Frauen (1). In Deutschland sind 76 % der Lehrkräfte verbeamtet, wobei es zwischen den alten und neuen Bundesländern gravierende Unterschiede gibt (e2).
Der Schulalltag ist stark von den Entwicklungen der Informationstechnologie geprägt, aber auch von einem immer stärker multikulturell geprägten Sozialleben und zunehmender Autonomie der Schulen. Für Lehrkräfte ergibt sich daher ein größerer Anteil an Aufgaben des Schulmanagements und der Schulverwaltung (e1).
Aus dem einst klassischen Lehrerberuf hat sich ein Kultur-, Gesellschafts- und Sozialberuf mit bürokratischen Tätigkeiten entwickelt (2). Er ist durch soziale und interaktive Emotionsarbeit gekennzeichnet und geht zugleich mit hohen Anforderungen sowie Mehrfachbelastungen einher (3). Das idealisierte Leitbild von Lehrkräften ist mit unterschiedlichen Rollen als Erzieher, Partner, Berater, Vermittler, Sozialarbeiter, professioneller Manager und politischer Aufklärer assoziiert (4). Die Gesundheit der Lehrkräfte wirkt sich maßgeblich auf die Unterrichtsqualität und damit auf den Lernerfolg der Schüler aus (5–7, e3, e4). Insbesondere bei „ausgebrannten“ Lehrkräften ist die Qualität des Unterrichts vermindert (6, 7).
Die Erstellung einer krankheitsbezogenen Statistik ist für die Berufsgruppe der Lehrkräfte in Deutschland aufgrund der Länderhoheit schwierig: Differenzierende Faktoren sind die unterschiedlichen Schulsysteme und das Beamten- sowie Angestelltenverhältnis. Hinzu kommen die Datenschutzregelungen und die unterschiedlichen statistischen Erfassungssysteme sowie Berufszuordnungen in den Sozialversicherungssystemen. Im internationalen Maßstab unterliegen nicht nur die etablierten Schulsysteme, sondern auch die Strukturen im Gesundheitswesen mit den erhobenen Ergebnisparametern unterschiedlichen Bedingungen und Anforderungen. Diese Rahmenbedingungen machen es nahezu unmöglich, international vergleichbare Indikatoren zur Beschreibung der Gesundheitssituation von Lehrkräften aufzufinden. Eine weitere Schwierigkeit besteht im Bereich wissenschaftlicher Studien in der großen Vielfalt eingesetzter Verfahren, mit deren Hilfe gesundheitliche Risiken und Ressourcen bewertet werden.
Die vorliegenden Ergebnisse einer selektiven Literaturrecherche und die Auswertung zugänglicher Statistiken sollen vor allem den behandelnden Ärzten Informationen vermitteln, wie gesundheitliche Beeinträchtigungen bei Lehrkräften einzuordnen sind.
Belastungen im Lehrerberuf
Im Lehrerberuf finden sich folgende Belastungsfaktoren:
physikalische, unter anderem Lärm und Raumklima
chemische, zum Beispiel Gefahrstoffe im Fachunterricht und Baustoffe
ergonomische, wie Bildschirmarbeitsplätze.
Die Lehrkräfte selbst nennen einerseits Zeitdruck, Arbeitszeit, Schullärm, zu große Klassen, Probleme mit den Schulbehörden und mangelnde Autonomie, andererseits Leistungsschwäche, Verhaltensauffälligkeiten und mangelnde Motivation der Schüler, Problemverhalten der Eltern sowie geringes gesellschaftliches Ansehen als Belastungsfaktoren (4, 8–11, e3, e4). Dominierend ist die psychoemotionale Belastung (4, 10, 11, 12, 13).
Bei Befragungen schätzen Lehrkräfte die Belastungen durch die Schule stets als hoch bis sehr hoch ein. Diese sollten jedoch nicht ausschließlich als Gesundheitsgefährdung interpretiert werden. Auswirkungen auf die Gesundheit können vor allem folgende Anforderungen im Lehrerberuf haben, wenn sie nicht bewältigt werden (4):
Komplexität – mangelnde Durchschaubarkeit und Vorhersehbarkeit von Situationen
hohes Anspannungsniveau mit Sachzuwendung über längere Zeit
verteilte Aufmerksamkeit
eingeschränkte Erholungszeiten während des Unterrichtstags
situationsbezogener Wechsel von Verhaltensweisen im Unterricht
unterschiedliche Bewertungskriterien durch Schüler, Eltern, Schulleitung, Schulbehörde und Öffentlichkeit
„Einzelkämpfer“ im (bürokratischen) System
Vermischung von Arbeit und Freizeit.
Werden die Anforderungsbewältigung und die gesundheitliche Situation im Lehrerberuf betrachtet, steht noch immer die defizitorientierte Sichtweise im Vordergrund. Künftig müssen die Ressourcen des Berufs stärker als bisher in die Arbeitsgestaltung und Gesundheitsförderung einbezogen werden, denn es ist die Frage zu beantworten, wie Lehrkräfte – trotz hoher Arbeitsbelastungen – gesund bleiben.
Gesundheitseinschränkungen von Lehrkräften
Die Aussagen zum Gesundheitsstatus von Lehrkräften hängen davon ab, welche Diagnoseinstrumente verwendet und welche Schwellenwerte für die gesundheitliche Einordnung zugrunde gelegt werden (4, 11, 12). Zudem werden objektive Daten im Sinne ärztlicher Diagnostik bei dieser Berufsgruppe nur selten erhoben, Fragebögen und Selbstberichte zur Gesundheit überwiegen. Dies gilt auch für internationale Studien (e5–e21). Angaben zur Häufigkeit subjektiver gesundheitlicher Beeinträchtigungen bei Lehrerinnen und Lehrern variieren erheblich. Schönwälder et al. (9) gehen davon aus, dass gesunde, weitgehend beschwerdefreie Lehrkräfte in Deutschland eine Minderheit sind. In Österreich bewerten 14 % der Lehrkräfte ihren Gesundheitszustand als ausgezeichnet und 37 % als sehr gut (e22). Seibt et al. (14) stellten bei 28 % der Lehrkräfte keine Erkrankung fest. Nach Krause und Dorsemagen (15) weisen mindestens 20 % der Lehrkräfte gravierende Einschränkungen ihrer Gesundheit und damit Leistungsfähigkeit auf. Hingegen haben Vorsorgeuntersuchungen gezeigt, dass sich Lehrkräfte gegenüber der Allgemeinbevölkerung durch eine geringere Ausprägung kardiovaskulärer Risikofaktoren, zum Beispiel Übergewicht, Fettstoffwechselstörungen oder Rauchen, und gesundheitsbewussteres Verhalten, insbesondere Sport- und Bewegungsaktivitäten, auszeichnen (4, 11, 14, e23–e27) (Tabelle 1).

Tabelle 1
Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Lehrerinnen und Lehrern im Bevölkerungsvergleich
Im AbbildungsverzeichnisAls dominierende psychosomatische Beschwerden bei Lehrkräften finden sich in mehreren Studien – unabhängig von der Schulart – Erschöpfung und Müdigkeit, Kopfschmerzen, Angespanntheit, Antriebslosigkeit, Schlaf- und Konzentrationsstörungen, innere Unruhe oder erhöhte Reizbarkeit (4, 9, 10, 16, 17, e28) (Grafik 1). Diese Beschwerden sind häufiger als bei anderen Erwerbstätigen in Deutschland (18).

Grafik 1
Häufigste Beschwerden (e28) von Lehrkräften im Schulartvergleich
Im AbbildungsverzeichnisZu den häufigsten selbstberichteten Diagnosen im Lehrerberuf gehören Erkrankungen des Bewegungsapparats und des Herz-Kreislauf-Systems (14, e29) (Grafik 2). Die grundlegende Morbiditätsstruktur hat sich in dieser Berufsgruppe in den zurückliegenden 25 Jahren nicht wesentlich geändert. So lagen bereits 1988 bei Lehrkräften (21 534 Lehrerinnen, 4 400 Lehrer) wie bei allen Erwerbstätigen der ehemaligen DDR (162 041 Frauen, 467 149 Männer) Erkrankungen des Bewegungsapparats, Herz-Kreislauf-Systems und Verdauungssystems am häufigsten vor (19). Bei Lehrkräften zeigte sich dagegen eine erhöhte Häufigkeit von Krankheiten des Nervensystems, insbesondere Neurosen. Diese Ergebnisse basieren – auch im internationalen Maßstab – auf der umfangreichsten Datenerhebung zu ärztlichen Diagnosen bei Lehrkräften und anderen Berufsgruppen (e30). In aktuellen Studien wird eine im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt erhöhte Befundhäufigkeit psychischer Erkrankungen bestätigt (8, 14, 20).

Grafik 2
Ärztliche Diagnosen (e29) bei Lehrkräften im Schulartvergleich
Im AbbildungsverzeichnisBurn-out-Risiko
Pädagogen repräsentieren die bisher am häufigsten untersuchte homogene Gruppe zum Burn-out-Risiko. Burn-out ist nach der ICD-Nomenklatur keine Erkrankung (21, 22). Aus medizinisch-wissenschaftlicher Sicht ist der Umgang mit Burn-out ein Dilemma. Es gibt bis heute keine einheitliche Definition und eine Vielzahl unterschiedlicher Messinstrumente, die nicht die klassischen Testgütekriterien erfüllen (22, 23). Somit können persönliche Missempfindungen über die eigene Arbeit als Burn-out interpretiert werden (22). Auch in wissenschaftlichen Untersuchungen und in der ärztlicher Diagnostik werden subjektive Angaben zu den Beschwerden eines Burn-out meist kritiklos verwendet.
In der Praxis hat sich aber das Burn-out-Konzept etabliert. Nach bevölkerungsrepräsentativen Erhebungen wird bei über 4 % der deutschen Bevölkerung pro Jahr ein Burn-out diagnostiziert (Zwölfmonatsprävalenz). Beschäftigte im Bildungswesen sind dabei besonders häufig betroffen (24). Da oft auch einzelne Symptome als Burn-out klassifiziert werden (14, 23), liegen zur Auftrittshäufigkeit des Burn-out-Syndroms im Lehrerberuf widersprüchliche Befunde vor. Es werden Prävalenzraten von 1–33 % berichtet (3, 12, 14, 23–28, e10–e18). In den Studien von Böckelmann et al. (29) und Seibt et al. (14) wurde dagegen mit Hilfe des „Maslach Burnout Inventory – General Survey“ (MBI-GS) (e31) nur für 1–5 % der Lehrerinnen ein komplettes Burn-out-Syndrom ermittelt, jedoch gaben etwa die Hälfte beziehungsweise ein Drittel von ihnen einige Burn-out-Symptome an. In einer Studie zum Berufsgruppenvergleich (e32) wiesen Lehrerinnen (1 %) im Vergleich zu Ärztinnen (5 %) eine geringere Burn-out-Häufigkeit auf. In Finnland leiden nach Angaben einer bevölkerungsweiten Befragung 25 % der erwachsenen Bevölkerung an milden und 3 % an ernsthaften Burn-out-Beschwerden (30). Weitere Daten aus internationalen Studien sind in Tabelle 2 (e11–e22, e31, e33–e40) zusammengestellt. Diese Übersicht bestätigt, dass die Ergebnisse zur Lehrergesundheit differieren. Beispielsweise traten nach drastischen Bildungsreformen in Hongkong erhöht psychische Probleme und Selbstmordraten bei Lehrkräften auf (e19). Die Zusammenhänge verdeutlichen den möglichen Einfluss von nicht bewältigten beruflichen Anforderungen auf die Gesundheit.

Tabelle 2
Internationale Untersuchungsergebnisse zur Lehrergesundheit
Im Abbildungsverzeichnis27 % der von Böckelmann et al. (29) untersuchten Lehrkräfte gaben an, dass bei ihnen die emotionale Erschöpfung, die Kernkomponente des Burn-out-Syndroms hoch ausgeprägt war. Auch im Handbuch Lehrergesundheit (31) wird bei etwa einem Drittel der Lehrkräfte über eine hohe emotionale Beanspruchung berichtet. Nach dem Stressreport (32) ist in der Allgemeinbevölkerung bei 13 % der Männer und 20 % der Frauen von körperlicher und emotionaler Erschöpfung auszugehen. In der Branche Unterricht und Erziehung liegt bei 22 % der Beschäftigten eine körperliche und emotionale Erschöpfung vor, was im Branchenvergleich dem zweithöchsten Wert entspricht.
Neben dem MBI werden bei Lehrerstichproben zur Erfassung des Burn-out-Risikos häufig auch standardisierte Befragungsinstrumente wie das Arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebensmuster (AVEM) (3) oder der „Copenhagen Psychosocial Questionnaire“ (COPSOQ) (26) angewendet. Schaarschmidt (3) stellt bei 25 %, Bauer (33) bei 30 % aller Lehrkräfte ein mit Burn-out assoziiertes Erlebens- und Verhaltensmuster fest. Allerdings stellen diese Verhaltensmuster keine Diagnostik von Burn-out dar, sondern beschreiben verschiedene Risikoverhaltensmuster.
Nach Hillert et al. (34) führt eine Kombination der folgenden Kriterien typischerweise zur Burn-out-Symptomatik:
geringe Distanzierungsfähigkeit von der Arbeitssituation
starke Resignationstendenz bei Misserfolgen
geringe Fähigkeit zum Einholen sozialer Unterstützung (AVEM-Muster B) (3).
Lehr (20) plädiert dafür, etablierte Diagnosesysteme depressiver Störungen in der Forschung zur Lehrergesundheit zu nutzen, wodurch ein besserer Vergleich mit anderen Berufsgruppen erreichbar wäre.
In einer der größten Befragungsstudien über das Internet fanden Nübling et al. (26) mittels COPSOQ bei Lehrkräften in Baden-Württemberg im Vergleich zum Durchschnitt aller Berufe leicht erhöhte Burn-out-Werte (46 versus 42 auf einer Skala von 0–100). Dabei könnte sich die hohe Arbeitsplatzsicherheit der verbeamteten Lehrkräfte mindernd auf die Burn-out-Werte auswirken. Bei Lehrkräften in Rheinland-Pfalz ergab sich gegenüber dem COPSOQ-Gesamtkollektiv jedoch kein Unterschied der Burn-out-Werte. Hinsichtlich der Lebens- und Arbeitszufriedenheit berichteten die Lehrkräfte im Vergleich zu anderen Berufsgruppen sogar höhere Werte (e3).
Die COPSOQ-Ergebnisse einer europaweiten Lehrerstudie wiesen bei Burn-out auf Geschlechtseffekte hin (35). Lehrerinnen erreichten einen mittleren Punktewert von 50, Lehrer von 43. Als negative Arbeitsplatzmerkmale wurden der „Work-Privacy-Conflict“, Arbeitsplatzunsicherheit und emotionale Anforderungen bestätigt.
Zusammenfassend liegen bis heute keine verlässlichen Daten vor, die das Ausmaß des Burn-out-Syndroms im Lehrerberuf einschätzen. Auch das aktuelle Gutachten des Aktionsrats Bildung der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. zu psychischen Belastungen und Burn-out beim Bildungspersonal kommt zu diesem Schluss (22). Aus Sicht der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (36) besteht dringender Bedarf an exakter epidemiologischer Forschung zu psychosozialen Problemen am Arbeitsplatz und deren Folgen sowie zur verbesserten Operationalisierung des Burn-out-Konzepts. Die widersprüchlichen Befunde reichen nicht aus, Burn-out als typische „Lehrerkrankheit“ zu bezeichnen (14, 23). Dennoch kommt dem Burn-out-Syndrom, insbesondere der Erschöpfungskomponente, eine zentrale Bedeutung unter den Gesundheitseinschränkungen bei Lehrkräften zu.
Arbeitsunfähigkeit
Krankenkassen und statistische Landesämter stellen berufsspezifische Angaben über die Arbeitsunfähigkeit (AU) zur Verfügung. Es ist zu beachten, dass die Lehrkräfte bei den gesetzlichen Krankenkassen in unterschiedlichen Branchen beziehungsweise Wirtschaftsgruppen gemeinsam mit Beschäftigten anderer Berufsgruppen subsumiert sind. Hinzu kommt, dass über privat versicherte beziehungsweise verbeamtete Lehrkräfte keine derartigen Daten verfügbar sind. Dies erschwert die Einordnung und den Vergleich der gefundenen Daten zum Krankenstand.
Dennoch wird aus einer Zusammenstellung von Krankenkassendaten (Tabelle 3) ersichtlich, dass angestellte, gesetzlich versicherte Lehrkräfte meist einen geringeren Krankenstand als der Durchschnitt der in der jeweiligen Krankenkasse Versicherten haben (37, 38, 39). Im Vergleich zu den Gesundheitsberufen zeigte sich für 2012 und 2013 ein niedrigerer Krankenstand bei den Berufsgruppen, die Lehrkräfte einschlossen. Hinzu kommt die geringere Dauer der aufgetretenen Erkrankungen in den – die Lehrkräfte umfassenden – Branchen gegenüber den angeführten Vergleichsgruppen. Atemwegs- und psychische Erkrankungen sind gegenüber dem Durchschnitt der Versicherten der Krankenkassen erhöht, Herz-Kreislauf-, Muskel- und Skelettkrankheiten sowie Verletzungen liegen darunter (37). Seit der Einführung der ICD-10-Zusatzdiagnose Z73 im Jahr 2004, die auch Burn-out als Diagnose aufnimmt, haben sich bevölkerungsbezogen die Z73-AU-Tage bis 2013 verzehnfacht (37). Der Anteil dieser AU-Fälle war im Bereich Erziehung bei den AOK-Versicherten 2013 etwa dreimal höher als der Branchendurchschnitt. Dies spiegelt wider, dass die Diagnose Burn-out bei sozial tätigen Berufen häufiger verwendet wird als in anderen Berufsgruppen.

Tabelle 3
Arbeitsunfähigkeit von Lehrkräften in Deutschland
Im AbbildungsverzeichnisGeschlechtsspezifische Angaben zum lehrerbezogenen Krankenstand der AOK-Versicherten belegen höhere Zahlen für Frauen als für Männer bei vergleichbarer Falldauer (37). Gegenüber den alten Bundesländern wird für die neuen Bundesländer generell, insbesondere aber auch im Bereich der lehrerbezogenen Berufsgruppen, ein höherer Krankenstand berichtet (37). Im Jahr 2013 war er in Bayern mit 3,5 % am geringsten, in Berlin mit 6,5 % am höchsten. In den alten Bundesländern liegt der Krankstand im Durchschnitt bei 4,4 %, in den neuen Bundesländern bei 4,9 %.
Zusammenfassend weisen Lehrkräfte weniger AU-Tage als der Durchschnitt der jeweiligen Krankenkassenversicherten beziehungsweise der betrachteten Gesundheitsberufe auf. Nicht bekannt ist, ob Lehrkräfte teilweise ohne Krankschreibung während der Ferienzeiten krank waren und/oder Präsentismus ihren niedrigeren Krankenstand mitverursacht.
Langzeiterkrankungen
Der Anteil langzeiterkrankter Lehrkräfte (LZKL) an allgemeinbildenden Schulen in Deutschland lag im Jahr 2012 bei 4,0 % und im Jahr 2013 bei 3,8 %. Lehrerinnen (2013: 4,0 %) sind häufiger langzeitkrank als Lehrer (2013: 3,3 %). Auch hier bestätigt sich der bei den AU-Daten festgestellte Ost-West-Effekt: So lag 2013 in den neuen Bundesländern der Anteil von LZKL bei 5,3 % und in den alten Bundesländern bei 3,0 % (e41).
Bei den AU-Fällen der Langzeiterkrankungen je 100 Mitglieder dominieren psychische Erkrankungen. Von 2011 bis 2013 stieg die Fallzahl je 100 Mitglieder von 1,6 auf 1,8.
Frühpensionierung und -verrentung (Dienstunfähigkeit)
Wissenschaftlicher Konsens besteht heute darüber, dass Frühpensionierung ein multidimensionaler Prozess ist, dessen Ursachen auf gesellschaftlicher, sozialmedizinischer, normativ-rechtlicher und individueller Ebene zu suchen sind. Verglichen mit anderen Berufsgruppen ist der Anteil der Frühpensionierungen im pädagogischen Berufsfeld bei verbeamteten Lehrkräften hoch (13, 40). Im Jahr 2000 erreichten nur 6 % der Lehrkräfte arbeitsfähig die gesetzliche Regelaltersgrenze. 62 % schieden krankheitsbedingt wegen Dienstunfähigkeit aus, 32 % gingen vorzeitig in Rente, weil sie eine Antragsaltersgrenze erreicht hatten (Grafik 3). Nach Einführung von Versorgungsabschlägen bei vorzeitiger Pensionierung im Jahr 2001 hat sich das krankheitsbedingte Ausscheiden der Lehrkräfte in wenigen Jahren halbiert und der Anteil derer, die die Regelsaltersgrenze arbeitsfähig erreichen, stark zugenommen. So lag im Jahr 2011 das durchschnittliche Alter der 3 990 Lehrkräfte, die wegen Dienstunfähigkeit in Pension gingen, bei 58 Jahren (1). Das durchschnittliche Eintrittsalter in den Ruhestand ist bei verbeamteten Lehrkräften im Zeitraum zwischen 1993 und 2012 von 57 auf 63 Jahre angestiegen. Gleichzeitig hat sich der Anteil derer, die die Regelaltersgrenze arbeitsfähig erreichen, bei den verbeamteten Lehrkräften von 6 % im Jahr 1993 auf 41 % 2009 versiebenfacht. Dennoch ist der Anteil der vorzeitigen Dienstunfähigkeit immer noch höher als in den übrigen Tätigkeitsbereichen des öffentlichen Dienstes. Dort waren im Jahr 2009 17 % aller Pensionierungen auf eine Dienstunfähigkeit zurückzuführen (1). Psychische und psychosomatische Erkrankungen (32–50 %) dominieren als Hauptgründe für Frühpensionierungen bei Lehrkräften, von denen ebenfalls Frauen tendenziell häufiger betroffen sind als Männer (4, 13). In den ostdeutschen Bundesländern ist die Frühverrentung der Lehrkräfte gegenüber den Daten verbeamteter westdeutscher Lehrkräfte deutlich niedriger. So gingen im Jahr 2012 in den ostdeutschen Bundesländern insgesamt nur 417 Lehrkräfte in den Ruhestand. Darunter waren 116 Lehrkräfte (28 %), bei denen als Grund eine Dienstunfähigkeit angegeben wurde (e2).
![Grafik 3 Vorzeitige Dienstunfähigkeit und (arbeitsfähiges) Erreichen der Regelaltersgrenze bei ver beamteten Lehrkräften in Deutschland zwischen 1993 und 2011 (mod. nach Gehrmann [e42])](/_next/image?url=%2Fb93cdf83-2f7d-4e1a-8f65-8ba8a11c65ce%2Fimg117639517.gif&w=3840&q=75)
Grafik 3
Vorzeitige Dienstunfähigkeit und (arbeitsfähiges) Erreichen der Regelaltersgrenze bei ver beamteten Lehrkräften in Deutschland zwischen 1993 und 2011 (mod. nach Gehrmann [e42])
Im AbbildungsverzeichnisFazit
Die Änderung der Rahmenbedingungen im Bereich des Bildungsauftrages führt nicht automatisch zur Erhaltung und Förderung von Arbeitsfähigkeit sowie Gesundheit. Gerade im Lehrerberuf sind eine individuelle Beurteilung und Beratung bedeutend.
Lehrberufe benötigen eine qualifizierte, den Besonderheiten der Lehrtätigkeit gerecht werdende betriebsärztliche Betreuung in einem Kompetenznetz, in das neben behandelnden Ärzten auch Psychologen, Psychiater und Psychosomatiker eingebunden sein sollten.
Interessenkonflikt
Dr. rer. medic. Dipl.-Math. Haufe und Dr. rer. nat. Dipl.-Psych. Seibt erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Prof. Scheuch ist Geschäftsführer des Zentrums für Arbeit und Gesundheit Sachsen GmbH.
Manuskriptdaten
eingereicht: 1. 7. 2014, revidierte Fassung angenommen: 28. 1. 2015
Anschrift für die Verfasser
Prof. Dr. med. Klaus Scheuch
Zentrum für Arbeit und Gesundheit Sachsen GmbH
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin
Fiedlerstraße 4
01307 Dresden
klaus.scheuch@mailbox.tu-dresden.de
@Mit „e“ gekennzeichnete Literatur:
www.aerzteblatt.de/lit2015 oder über QR-Code
The English version of this article is available online:
www.aerzteblatt-international.de
Diskutieren Sie mit: