Jólabókaflóð – Der Bücherkatalog zur Weihnachtszeit 2018 (nach isländischem Vorbild)

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Jólabókaflóð Die (isländische) Bücherflut zur Weihnachtszeit


»TRADITIONELLERWEISE SCHENKT MAN SICH AUF ISLAND NÄMLICH (FAST) NUR ZWEI DINGE AM WEIHNACHTSABEND: BÜCHER UND SCHOKOLADE, WOBEI DIE ERSTE WEIHNACHTSNACHT DANN LESEND ZUGEBRACHT WIRD.«


© Fotostudio Berns

LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,

Torsten Woywod

Island ist zweifellos eines der schönsten und faszinierendsten Länder der Welt. Zu dieser Erkenntnis mag man bereits gelangen, wenn man die Insel nur rein äußerlich betrachtet: Mit seinen Geysiren, Fjorden, Vulkanen, Gletschern, Wasserfällen und Bergen ist die Natur des Inselstaats einmalig vielfältig und eindrucksvoll. Doch auch kulturell hat Island einiges zu bieten: Spätestens, wenn man sich eingehender mit all den wunderbaren Sitten, Bräuchen und Mythen des Landes beschäftigt, wird man dem Zauber Islands vollends erlegen sein. Gerade zum Jahresende, wenn die Polarlichter am Nachthimmel wabern und die gesamte Insel unter einer Schneedecke ruht, haben die hiesigen Brauchtümer Hochsaison. Die schönste aller Weihnachtstraditionen – nicht nur auf Island, sondern vielleicht sogar weltweit – stellt dabei das Jólabókaflóð dar, die alljährliche Bücherflut. Der Großteil der auf Island veröffentlichten Bücher erscheint in der Vorweihnachtszeit, was mit der Produktion des Bókatiðindi einhergeht – einem Bücherkatalog, der sämtliche Neuerscheinungen des Jahres vorstellt und kostenlos an alle Haushalte des Landes verteilt wird. Inzwischen werden vielerorts sogar die Tage bis zum Beginn der Bücherflut heruntergezählt, und wenn es so weit ist, verwandelt sich das Land in ein riesiges Literaturfestival. Überall lesen Autorinnen und Autoren aus ihren Büchern vor und die Buchhandlungen machen das Geschäft des Jahres. Traditionellerweise schenkt man sich auf Island nämlich (fast) nur zwei Dinge am Weihnachtsabend: Bücher und Schokolade, wobei die erste Weihnachtsnacht dann lesend zugebracht wird. Was lernen wir daraus? Ein mit Bedacht ausgewähltes Buch ist eines der schönsten Geschenke. Dieser Katalog liefert zahlreiche Anregungen für genau solche Geschenke und eigene Wünsche, und ich freue mich außerordentlich darüber, dass diese Idee von vielen großartigen Kolleginnen und Kollegen aus der Buchbranche unterstützt und mitgetragen wird, indem sie persönliche Buchempfehlungen ausgesprochen haben, die Sie auf den nachfolgenden Seiten finden. Sogar die isländische Premierministerin, Katrín Jakobsdóttir, hat speziell für diesen Katalog einen Text über die Bedeutung des Jólabókaflóð verfasst und im Zuge dessen – ganz nebenbei – auch dem Lesen im Allgemeinen eine Liebeserklärung gemacht. Eine nachdrückliche Bitte sei mir an dieser Stelle noch gestattet: Sollte Sie dieser Katalog zum Schenken inspirieren, würde ich mich ausgesprochen freuen, wenn Sie die entsprechenden Bücher nicht irgendwo online bestellten, sondern die nächstgelegene Buchhandlung besuchten. In diesem Sinne: Viel Spaß beim Stöbern, gleðileg jól und eine rundum schöne Weihnachtszeit Torsten Woywod

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© Baldur Kristjánsson

»LITERATURE IS RELEVANT EVERY DAY OF THE YEAR AND I FIND IT ESPECIALLY MEANINGFUL AROUND CHRISTMAS, THE TIME OF YEAR WHERE THE DAYS START TO GET LONGER AND WE ARE GIVEN A MOMENT TO PAUSE AND CONTEMPLATE OUR EXISTENCE.«

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VORWORT DER PREMIERMINISTERIN ISLANDS What is jólabókaflóðið, or, in literal translation, the Christmas Book Flood? Well, it is the Icelandic way of book publishing where the vast majority of Iceland’s published books are launched in the weeks leading up to Christmas. During this period, writers go from libraries to coffee shops to workplaces, reading from their new works and many of these books will end up under the Christmas tree in Icelandic homes. In the past few years we have actually begun to see a burgeoning mini spring-flood, which lightens the load of the Christmas Book Flood a tiny bit. If you’re a big reader, being an Icelander in November and December is a rare treat. The libraries have waiting lists for the new books which have an abbreviated lending time so more people have a chance to read them. And on Christmas Eve, after families have opened their presents together and eaten their Christmas dinner, the highlight of the Christmas celebration for many people, myself included, is to sit down with a book that they were given and start reading. It is actually the case in Iceland that if you don’t get a book as a present, it’s a bit of a bummer. Reading literature is my therapy. Good literature strengthens your self-knowledge, your empathy for others, gives you new perspectives on old matters, and reminds us of the beauty in life. Literature is relevant every day of the year and I find it especially meaningful around Christmas, the time of year where the days start to get longer and we are given a moment to pause and contemplate our existence.

Katrín Jakobsdóttir Prime Minister of Iceland

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Die Wahrheit über das Lügen • Benedict Wells • Diogenes Verlag • 256 Seiten • 22,00 Euro [D] • ISBN 978-3-257-07030-9

Maurice Haas / © Diogenes Verlag

BENEDICT WELLS DIE WAHRHEIT ÜBER DAS LÜGEN Philipp Keel Diogenes Verleger, Künstler und Autor www.diogenes.ch

Die Adventszeit, die friedlich und erholsam sein sollte, ist genau dies oftmals nicht, weil jeder all das, was in den letzten elf Monaten nicht gelungen ist, noch zu erledigen versucht. Gerade diese Hektik sollte der Anlass sein, sich zum Jahresausklang Zeit für besonders gute und auch nachdenklich stimmende Geschichten zu nehmen. Das wunderbare neue Buch von Benedict Wells hat genau diesen Geist, und nicht nur, weil Weihnachten darin sogar vorkommt. Man wird sofort hineingezogen, großartig unterhalten, bis man schließlich merkt, welche Tiefe seine Erzählungen haben. Meine Lieblingsgeschichte? Diese Entscheidung muss ich zum Glück nicht treffen, denn jede hat ihre eigene große Qualität. Sie sind heiter, lustig, verblüffend, melancholisch, tragisch, berührend. Immer steht ganz viel auf dem Spiel. Aber der Leser ist gut aufgehoben, und erinnern wird er sich vor allem an die meisterhafte Leichtigkeit, mit der sie erzählt sind. Ein Geschenkbuch, bei dem für jeden das Richtige dabei ist – das ist die Wahrheit, und keine Lüge.

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Gun Love • Jennifer Clement • Übersetzer: Nicolai von Schweder-Schreiner • Suhrkamp Verlag • 251 Seiten 22,00 Euro [D] • ISBN 978-3-518-42832-0

© Lé Gensch

JENNIFER CLEMENT GUN LOVE »Bei uns weiß man, dass man auch spricht, wenn man schweigt. Und dass man jemanden lieben kann, ohne es ihm je zu sagen.« Mareike Fallwickl Autorin Aktueller Titel: Dunkelgrün fast schwarz (ihr neuer Roman erscheint im August bei FVA) www.mareikefallwickl.at

Pearl lebt seit ihrer Geburt vor vierzehn Jahren mit ihrer Mutter in einem Auto, das am Rande eines Trailerparks und neben einer Müllkippe steht. So schlimm, wie das klingt, ist es nicht, für Pearl ist dieses Auto ihr Zuhause. Die Bindung zwischen ihr und ihrer Mutter ist eng, sie stehen am Rand der Gesellschaft und haben niemanden, aber sie haben einander. Und dann tritt Eli in ihr Leben. Eli, der sich hineindrängt in dieses Auto, in dem ohnehin kaum Platz ist, der Schaum aufwirbelt und Wellen, die sich nicht mehr glätten lassen. »Eli Redmond ist die Brise, aus der ein Hurrikan über dem Atlantik wird. Er ist der Typ Mann, der sämtliche Scheiben in deinem Haus einschlägt.« Eli bringt Unheil, Eli bringt Verrat, und Pearl wird alles verlieren, was sie hat. Es geht um die Waffenvernarrtheit der Amerikaner in diesem Roman, um die Normalität, die im Extremen liegen kann, um Freundschaft und eine besondere Mutter-TochterBeziehung. Um rohe Gewalt geht es, um ein Gefühl der Verlorenheit, und um die Liebe. Jennifer Clement schreibt statt mit einem Stift mit einem Messer. Sie ritzt einem ihre Worte in die Haut und ins Herz, und ich frage mich beim Lesen – wie schon bei Gebete für die Vermissten –, wie sie das macht. Wieso sie das kann. Woher sie diese Kraft hat, dieses Talent. Gun Love ist eine wehmütige, schmerzhafte Geschichte, sprachlich präzise, mit einzigartigen Charakteren und Szenen, die man nicht vergessen kann. »Ich weiß, dass die Erinnerung der einzige Ersatz für die Liebe ist.« Dies ist ein Buch, das einem das Herz bricht, und das macht es so großartig.

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Wie man die Zeit anhält • Matt Haig • Übersetzerin: Sophie Zeitz • dtv Verlag • 384 Seiten 20,00 Euro [D] • ISBN 978-3-423-28167-6

© privat

MATT HAIG WIE MAN DIE ZEIT ANHÄLT Ein Zeitreiseroman ohne Zeitreisen. Anabelle Stehl Bloggerin www.stehlblueten.de

Protagonist Tom Hazard ist bereits über 400 Jahre alt. Er ist nicht unsterblich, altert jedoch unglaublich langsam und überlebt somit all jene Menschen, die ihm wichtig sind. Menschen wie er werden Albatrosse genannt. Während ein verlängertes Leben durchaus seine Vorzüge und Freiheiten bietet, gibt es jedoch eine einzuhaltende Regel: Albatrosse dürfen sich nicht verlieben. Der Protagonist nimmt die LeserInnen mit auf eine Zeitreise durch seine Erinnerungen und beschäftigt sich dabei mit der einen Frage, deren Beantwortung die Menschen vor 400 Jahren genauso nacheiferten wie heute: Worauf kommt es im Leben wirklich an? Matt Haig verknüpft Historisches und Fantastisches auf wundervolle Weise und verpackt Leben in Worte. Ein großartiges Buch, das die richtigen Fragen stellt und die LeserInnen die Antworten finden lässt.

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Apollo – Der Wettlauf zum Mond • Zack Scott • Übersetzer: Violeta Topalova & Thomas Pfeiffer • Droemer Verlag 168 Seiten • 28,00 Euro [D] • ISBN 978-3-426-27757-7

© Jana Weber

ZACK SCOTT APOLLO – DER WETTLAUF ZUM MOND Robert Duchstein Geschäftsführer der Buchhandlung Reuffel www.reuffel.de

Zwischen 1968 und 1972 schickte die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA neun Apollo-Raumschiffe zum Mond. Die Raumfahrer an Bord sind bis heute die einzigen Menschen, die die Erdumlaufbahn verlassen haben und in eine andere Welt gereist sind. Über 400.000 Ingenieure und Techniker arbeiteten zeitweise an den Raketen und Raumschiffen, die die Erkundung des Erdtrabanten ermöglichten. So gelang der Crew von Apollo 11 um Neil Armstrong 1969 die Erfüllung des »Impossible Dream«, der für unmöglich gehaltenen Mondlandung, die Präsident John F. Kennedy sieben Jahre zuvor als Ziel ausgegeben hatte. Apollo von Zack Scott bringt uns mit vielen tollen Illustrationen die komplexen Maschinen, die Abläufe der Missionen und die Astronauten näher. Die unvorstellbare Leistung, eine punktgenaue Landung auf einem anderen Himmelskörper mit weniger als einem Tausendstel der Rechenkraft eines heutigen Smartphones durchzuführen, wird durch Zack Scotts Buch ein wenig fassbarer. Und wer dann noch nicht von der Leistung der Menschen und Maschinen der ApolloMissionen begeistert ist, lässt sich von dem Film In the Shadow of the Moon von Ron Howard überzeugen.

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Das Wintertagebuch • Nigel Slater • Übersetzerin: Sofia Blind • DuMont Buchverlag • 480 Seiten 38,00 Euro [D] • ISBN 978-3-8321-9935-7

© Max Grönert

NIGEL SLATER DAS WINTERTAGEBUCH

Sabine Cramer Verlegerin des DuMont Buchverlags www.dumont-buchverlag.de

Tief verschneite Tannen, rotbackige, schlittenfahrende Kinder, Kaminfeuer und zugefrorene Seen. So ist der Winter außerhalb von Bullerbü so gut wie nie – zumindest nicht, wenn man in einer deutschen Großstadt lebt wie ich. Da nieselt es, die Straßen sind verstopft, der Himmel ist trübsinnig grau und jede freie Fläche ab Ende November mit noch einem Weihnachtsmarkt zugestellt. All das ignoriert Nigel Slater in seinem Wintertagebuch gerade nicht. Im winterlichen London zieht und nieselt es genauso wie bei uns, und nach Silvester sind auch dort die Straßen voller ausgebrannter Raketenreste. Aber irgendwie ist der real existierende Winter durch Nigel Slaters Augen anders. Denn er nimmt sich die Zeit, ihn in allen Details zu erleben. Er zelebriert Winter- und Weihnachtstraditionen aus der ganzen Welt, beo­b­ achtet die Veränderungen in der Natur seines Hinterhofgartens und trinkt (mit Genuss!) Glühwein auf deutschen Weihnachtsmärkten. Vor allem aber kocht er, was das Zeug hält – und bringt dabei unter anderem das Kunststück fertig, auch im Februar noch aus saisonalem, heimischem Gemüse Gerichte herzustellen, die tatsächlich schmecken. Ein pädagogisches Geschenk für alle, die ein bisschen Nachhilfe in Winterromantik gebrauchen können. Und ein dicker, gehaltvoller Lese- und Kochschmöker für die, die den Winter schon immer mochten.

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Mexikoring • Simone Buchholz • Suhrkamp Nova • 247 Seiten • 14,95 Euro [D] • ISBN 978-3-518-46894-4

© Sasha Kisselkova

SIMONE BUCHHOLZ MEXIKORING

Melanie Raabe Autorin Aktueller Titel: Der Schatten www.melanieraabe.de

Simone Buchholz‘ Romane haben mich abhängig gemacht. Ich bin da nicht alleine. Immer wieder höre ich von Menschen, die in einen davon reingelesen haben – und dann sofort wieder in die Buchhandlung gegangen sind, um sich auch noch alle anderen Bände zu holen und sie hintereinander weg zu lesen. Buchholz schreibt ungewöhnliche Kriminalromane und hat ihren ganz eigenen Sound. Realistisch, rotzig, poetisch, manchmal witzig, immer völlig unverwechselbar. Worum es geht? Um die Staatsanwältin Chastity Riley, die in Hamburg ermittelt und auf St. Pauli lebt. In Mexikoring befasst sie sich mit dem Tod von Nouri Saroukhan, dem verlorenen Sohn eines Clans aus Bremen. Die Geschichte, die Buchholz hier erzählt, hat mich traurig, glücklich, wütend und hoffnungsvoll gemacht, sie hat mir das Herz gebrochen und es wieder zusammengesetzt. Das alles auf knapp 250 Seiten. Ein wunderbares Buch – wie alle Romane aus der Chastity-Riley-Reihe, die man nicht in der korrekten Reihenfolge lesen muss, um sie lieben zu können –, das schnell gelesen ist, aber lange im Kopf bleibt.

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Geisternächte • André Mumot • Eichborn Verlag • 414 Seiten • 22,00 Euro [D] • ISBN 978-3-8479-0647-6

© Simone Hawlisch

ANDRÉ MUMOT GEISTERNÄCHTE

Karla Paul Literaturlobbyistin www.buchkolumne.de

Ein Kind wird ermordet, ein junger Mann brutal zusammengeschlagen. Die Gewalt überfällt uns bereits auf den ersten Seiten, sie kriecht bis ins Mark. Über beide Fälle spricht bald niemand mehr, nur die Hinterbliebenen ertragen die Ungewissheit nicht, sie verlangen Aufklärung. In einem Land, in dem die Gewalt und soziale Verwahrlosung, in dem Rechtsextremismus, Hass und Intoleranz zum Alltag gehören, schreibt der junge Übersetzer und Journalist André Mumot dagegen an und verleiht so denen Gehör, die sonst keine Stimme haben. Während des Lesens werden wir den Glauben verlieren, uns wird der Atem stocken, wir werden uns in eine bessere Welt außerhalb dieser Worte wünschen. Aber der Autor, er erzählt uns von der Realität. Eine spannende, brutale, literarische Mischung aus Friedrich Ani und Neil Gaiman – ebenso düster wie schmerzhaft.

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BECOMING – Meine Geschichte • Michelle Obama • Übersetzer: Harriet Fricke, Tanja Handels, Elke Link, Andrea O‘Brien, Jan Schönherr & Henriette Zeltner • Goldmann • 544 Seiten • 26,00 Euro [D] • ISBN 978-3-442-31487-4

© Herr Zahm (www.herrzahm.de)

MICHELLE OBAMA BECOMING – MEINE GESCHICHTE Jasmin Marschall Inhaberin herr holgersson (Gau-Algesheim) www.herrholgersson.de

Mein absolutes Lieblings- und Herzensbuch aus 2018 ist erst vor Kurzem erschienen: Michelle Obamas Becoming. Das Buch ist einfach eine Wucht – genau wie diese unglaubliche Frau! Und dabei war mein erster Gedanke, der durch die häufig gehörte Frage unserer Kunden auch zunächst bestärkt wurde: »Muss ich das Buch überhaupt lesen?« Ich wusste ja eigentlich schon, wie großartig ich sie finde. Und nun bin ich so froh, mich dafür entschieden zu haben: Jetzt weiß ich nicht nur, wie toll sie ist, sondern auch warum. Das Buch ist eine ganz klassische Autobiografie. Es handelt von Kindheit, Schulzeit, erster Liebe, ihrem beruflichen Werdegang. Mit dabei immer – von Kindheitsbeinen an – ihre Fragen und ihre Motivation im Leben: Wie kann ich dienen? Was ist meine Aufgabe in der Welt? Wie kann ich Gutes tun? Mittlerweile hat sich herumgesprochen, wie gut und wichtig dieses Buch ist. Die anfängliche Frage, ob man das Buch lesen braucht, ist verflogen und unsere Kunden nehmen es nicht nur für sich mit, sondern beschenken auch ihre Freunde und Familien damit. Gut so, denn das Buch ist Inspiration pur und genau das brauchen wir. »Let’s share our stories!«, ist eines der großen und so einfachen Anliegen von Michelle Obama. Ich finde es für uns als Leser und Buchberater wunderschön. 2019 kann kommen. Let’s share our stories!

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Unter der Drachenwand • Arno Geiger • Hanser Verlag • 480 Seiten • 26,00 Euro [D] • ISBN 978-3-446-25812-9

© Mathis Beutel

ARNO GEIGER UNTER DER DRACHENWAND »Als Kind der Gedanke: Wenn ich groß bin. Heute der Gedanke: Wenn ich es überlebe.« Jo Lendle Hanser Verleger und Autor www.hanser-literaturverlage.de

1944: Veit Kolbe ist 24, er hat als Soldat gekämpft. Nun ist er verwundet und kommt zur Genesung an den Mondsee. Jeder weiß, der Krieg ist verloren – doch niemand weiß, wie lange der Frieden noch auf sich warten lässt. Veit fürchtet die Rückkehr an die Front. Es ist eine Zeit des angehaltenen Atems. Unter der Drachenwand erzählt, wie der Krieg seinen Schatten auf alles wirft: Die Tage der Dorfbewohner sind beherrscht von Angst, von Misstrauen, vom Warten. Allerlei eigentümliche Charaktere leben hier zusammen, jeder enthält eine eigene Welt – nicht immer gehen die Begegnungen gut aus. Eine aber gelingt: Veit lernt Margot kennen, die mit ihrem Neugeborenen Zuflucht im Ort sucht. Und zum ersten Mal seit Langem spürt Veit, dass er noch am Leben ist. Zwischen den beiden wächst etwas lang Entbehrtes: Vertrauen. Mit seiner klaren, unsentimentalen Sprache gelingt Arno Geiger ein ungeheuer kraftvolles Buch – mit einer Liebesgeschichte, die so einfach ist, dass man ihr nicht entkommt. Wie Veit sagt: »Es sind schon ereignisreichere Geschichten von der Liebe erzählt worden, und doch bestehe ich darauf, dass meine Geschichte eine der schönsten ist. Nimm es oder lass es.« Man nimmt es ohne Widerspruch.

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Der Kanon mechanischer Seelen • Michael Marrak • Amrûn Verlag • 720 Seiten 24,90 Euro [D] • ISBN 978-3-95869-257-2

© Marianne Eschbach

MICHAEL MARRAK DER KANON MECHANISCHER SEELEN Andreas Eschbach Autor Aktueller Titel: NSA – Nationales Sicherheits-Amt www.andreaseschbach.de

Der Autor Michael Marrak, Meister skurriler Weltentwürfe und sprachlich ein höchst sicherer Stilist, hat seit Jahrzehnten eine treue Fangemeinde. Nach einigen Jahren, die er aus unserem Universum verschwunden schien, ist er mit seinem Opus Magnum wieder aufgetaucht: Der Kanon mechanischer Seelen. Worum geht es? In ferner Zukunft ist die Erde weit und leer und voller Überbleibsel einer rätselvollen Geschichte. Nur einige wenige Menschen leben noch, in jungen Körpern, aber Jahrhunderte alt. Eine von ihnen ist Ninive, die die Gabe besitzt, Materie durch bloße Berührung zu beseelen. Wenn sie nicht gerade das Hochland durchstreift, wohnt sie mit der Standuhr Clogger, der Stehlampe Luxa, dem Eisenofen Guss und anderen belebten Haushaltsgegenständen zusammen. Einer ihrer Bekannten ist der Tod höchstpersönlich, stilecht mit Sense, Stundenglas und in schwarzer Kutte, der mit seinem Spiegelbild Schach spielt, immer Remis natürlich. Ninives Welt endet an einer vier Kilometer hohen Mauer, von der niemand weiß, wer sie errichtet hat und wozu. Soll sie das Tal vor irgendetwas schützen? Eines Tages ist Ninive gezwungen, es herauszufinden …

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Archibald Finch and the Lost Witches • Michel Guyon • Illustratorin: Zina Kostich • Line 8 • 350 Seiten ca. 26,99 Euro [D] • ISBN 978-1-73256-992-8

© privat

MICHEL GUYON ARCHIBALD FINCH AND THE LOST WITCHES Elizabeth Sagan Bloggerin www.instagram.com/ elizabeth_sagan

Do you remember when, as a kid, you discovered reading for the first time and you devoured everything that fell into your hands? When it felt like the world had so much magic to offer? Archibald Finch and the Lost Witches by Michel Guyon will send you back to those years. It all starts with a too clever boy, Archibald Finch, who stumbles upon a mystery terrestrial globe. He tries to turn it on, only to get sucked into Lemurea, a realm torn by a war started in the Middle Ages, where young witches fight scary monsters on a zero sugar diet. On the flip side of the Earth, Archilbald’s sister, Hailee, fights a battle of her own. The search to discovering the secret of her brother’s disappearance makes her uncover the grim plans of a dark priest, the first piece in a great puzzle that will reveal a family secret linked to a time of fears and superstitions. The first instalment in a promising series, Archibald Finch and The Lost Witches reads like an addicting thriller and sets the stage for more adventures to come. At the end of the book you’ll still be left with questions: why is Archibald so clever? Who is Mr. Heinrich? Will Archibald ever learn that carrots are good for his health? From the amazing cover to the wonderful illustrations that embrace the text in a creative manner, from the countless clever jokes and funny situations to the adorable characters, this is the perfect book for 9-year-olds and up. Reminiscent of tales such as Children of the Lamp, The Edge Chronicles, and even Harry Potter, this is a coming of age story that will inspire kids all around the world, while being the kind of book that can also be enjoyed by the adult audience. Surprisingly dark and eerie, but humorous at the same time, it has the vibe of the short and cold winter days spent inside with a warm beverage – the just-one-more-chapter kind of book.

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Lied vom Abendrot • Lewis Grassic Gibbon • Übersetzerin: Esther Kinsky • Guggolz Verlag • 397 Seiten 26,00 Euro [D] • ISBN 978-3-945370-15-5

© privat

LEWIS GRASSIC GIBBON LIED VOM ABENDROT

Maria-Christina Piwowarski Buchhändlerin bei ocelot, not just another bookstore (Berlin) www.ocelot.de

Im Osten Schottlands, unweit der Nordseeküste, am Fuße der rauen Mearns liegt die fiktive Ortschaft Kinraddie. Hier wächst zu Beginn des 20. Jahrhunderts Chris Guthrie auf einem Bauernhof auf. Ihr Leben ist geprägt von harter Landarbeit, vom strengen Vater, von der kränkelnden Mutter, von den täglichen Nöten der einfachen Leute – und trotzdem hat sie als älteste Tochter die Chance, das College zu besuchen, fremde Sprachen zu erlernen, die Literatur zu entdecken. Durch den Tod der Eltern erfährt Chris einen Befreiungsschlag: Sie sucht sich keine Stellung als Lehrerin, wie es ursprünglich geplant war, sondern folgt ihrer Liebe zu diesem besonderen Landstrich, seiner Sprache und seinen Bewohnern und übernimmt selbst die Pacht für Blawearie. Sie heiratet (für diese Zeit und ihre Verhältnisse durchaus ungewöhnlich) aus Liebe, dann bricht der Erste Weltkrieg aus … Esther Kinskys kongeniale Übersetzung vermittelt die Melodie dieser wunderbaren Wiederentdeckung auf geradezu betörende Weise. Sie überträgt den besonderen schottischen Akzent wirkmächtig und gleichzeitig sensibel, indem sie Anleihen beim Plattdeutschen macht. Chris Guthrie gehört für mich in eine Riege mit den großen Frauenfiguren der Weltliteratur – neben Jane Eyre, Elizabeth Bennett und Anna Karenina – und ich wünsche diesem Juwel von einem Roman durch diese wirklich meisterhaft gelungene Neuübersetzung viele ebenso begeisterte LeserInnen.

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Gebrauchsanweisung für Island • Kristof Magnusson • Piper Verlag • 208 Seiten • 18,00 Euro [D] • ISBN 978-3-492-05974-9

© SLAVICA / Piper Verlag

KRISTOF MAGNUSSON GEBRAUCHSANWEISUNG FÜR ISLAND Felicitas von Lovenberg Piper Verlegerin und Autorin Aktueller Titel: Gebrauchsanweisung fürs Lesen www.piper.de

Island ist für den Schriftsteller Kristof Magnusson ein Fleck »der gelebten Unmöglichkei­ ten«. In seiner Gebrauchsanweisung für Island schildert er das Land als einen Solitär, nicht nur, weil es so weit im Norden liegt, weil es geologisch noch immer in der Pubertät steckt, weil es vom Erdbeben bis zur Finanzkrise nichts auszulassen scheint oder weil es keine Nachbarn hat. Sondern auch, weil hier fast alles erfrischend anders ist als im übrigen Europa – und das auf so einnehmende Weise, dass immer mehr Reisende dieses Land ins Herz schließen. Zu den vielen isländischen Bräuchen, die man gleich exportieren möchte, gehört die vorweihnachtliche Bücherflut. Denn in einer Lese- und Schreibnation, deren Pro-Kopf-Aufkommen von Autoren und Verlagen rekordverdächtig ist und wo Angehörige in der Zeitung lange Nachrufe auf ihre Liebsten verfassen, ohne dass die dafür etwas Ungewöhnlicheres als ihr ganz normales Leben geleistet haben müssten, spielt Literatur die zentrale Rolle. Zu Weihnachten werden dort fast ausschließlich Bücher verschenkt – was wiederum der ausgeprägten Vorliebe fürs Erzählen Vorschub leistet. Kein Wunder, dass die Isländer als glücklichste Nation der Welt gelten.

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Vom Ende einer Geschichte • Julian Barnes • Übersetzerin: Gertraude Krueger • Kiepenheuer & Witsch (auch als Taschenbuch bei btb erhältlich) • 192 Seiten • 18,99 Euro [D] • ISBN 978-3-462-04433-1

© Marvin Ruppert

JULIAN BARNES VOM ENDE EINER GESCHICHTE

Pierre Jarawan Autor. Slam Poet. Veranstalter. Aktueller Titel: Am Ende bleiben die Zedern www.pierrejarawan.de

»Wie oft erzählen wir unsere eigene Lebensgeschichte? Wie oft rücken wir sie zurecht, schmücken sie aus, nehmen verstohlene Schnitte vor? Und je länger das Leben andau­ ert, desto weniger Menschen gibt es, die unsere Darstellung infrage stellen, uns daran erinnern können, dass unser Leben nicht unser Leben ist, sondern nur die Geschichte, die wir über unser Leben erzählt haben.« Es sind Abschnitte wie dieser, die Julian Barnes‘ Vom Ende einer Geschichte zu einem der wenigen Bücher machen, die ich mehrmals gelesen habe. Es gibt Bücher, die kommen zur richtigen Zeit, man liest sie im richtigen Augenblick, sodass man das Gefühl hat, sie finden einen und nicht umgekehrt. Die Unzuverlässigkeit von Erinnerung ist ein Thema, das mich seit langem fasziniert und es ist das bestimmende Thema in diesem schmalen Roman, für den Julian Barnes 2011 den Man Booker Prize erhielt. Die Handlung ist schnell erzählt: Tony Webster, eine Art moderner Jedermann, ist vollkommen mit sich im Reinen, hat eine gütliche Trennung und Berufskarriere hinter sich und blickt auf seine Jugend im verklemmten England der sechziger Jahre zurück: Schule, Freunde, Studium – und zwei Selbstmorde, die diesen Weg markieren. Jahrzehntelang ist er sich sicher gewesen, dass seine Erinnerungen an diese Zeit so un­ spektakulär wie unzweifelhaft sind, bis ihn vierzig Jahre später, in der Erzählgegenwart, der Brief einer Anwaltskanzlei erreicht … Beim Lesen hatte ich das Gefühl: kein Wort ist zu viel in diesem Buch, das sich durch den Raum zwischen den Zeilen und durch die Andeutungen hinter den Sätzen erst zu seiner wahren Größe entfaltet. Im Rückblick entdecken Protagonist und Leser gemeinsam mehr und mehr Risse in der vermeintlichen Erinnerung, die nach und nach zu einer Reihe großer Wendungen hinführen – ein Buch, das mich staunend und berührt (und ein bisschen neidisch) zurückgelassen hat und das ich auch sieben Jahre nach seinem Erscheinen noch immer wieder aus dem Regal ziehe, um einzelne Sätze darin zu lesen.

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Mein Jahr der Ruhe und Entspannung • Ottessa Moshfegh • Übersetzerin: Anke Caroline Burger • Liebeskind Verlag 320 Seiten • 22,00 Euro [D] • ISBN 978-3-95438-092-3

© privat

OTTESSA MOSHFEGH MEIN JAHR DER RUHE UND ENTSPANNUNG Lotte Lehnert Bloggerin www.instagram.com/ lottelikesbooks

Das Handy auf lautlos stellen, die Decke über den Kopf ziehen und einfach mal ein paar Tage am Stück durchschlafen? Zugegeben, besonders nach einer anstrengenden Woche klingt das manchmal ziemlich verlockend für mich. Die Protagonistin in Ottessa Moshfeghs neuem Roman macht genau das – und zwar ein ganzes Jahr lang. Des­ illusioniert von ihrem oberflächlichen und materialistischen Umfeld und ausgestattet mit einem riesigen Arsenal an Psychopharmaka beginnt sie im New York kurz nach der Jahrtausendwende ihr neues Projekt: ihr Jahr der Ruhe und Entspannung. Durch den drogeninduzierten Dauerschlaf ersehnt sie sich nicht nur ausreichend Erholung, sondern hofft auf eine magische Transformation und ein komplett neues Leben. Wie schon in ihrem grandiosen Debütroman Eileen richtet Moshfegh auch hier ihren messerscharfen Blick auf die komplexe Psychologie ihrer Figuren. Unerschrocken und mit bissiger Ironie zeigt sie die seelischen Abgründe der menschlichen Psyche auf und demonstriert dabei eine sprachliche Präzision, die gleichzeitig schnörkellos und wunderschön ist. Mein Jahr der Ruhe und Entspannung ist eine Charakterstudie mit extremer Sogwirkung, die ich nicht mehr aus der Hand legen konnte. Unvergleichlich und absolut unvergesslich.

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Verzeichnis einiger Verluste • Judith Schalansky • Suhrkamp Verlag • 252 Seiten 24,00 Euro [D] • ISBN 978-3-518-42824-5

© privat

JUDITH SCHALANSKY VERZEICHNIS EINIGER VERLUSTE Aline Kappich Online-Redaktion & Social Media bei wasliestdu.de Mayersche Buchhandlung www.wasliestdu.de

In ihrem großartigen Verzeichnis einiger Verluste erzählt Judith Schalansky von einem untergegangenen, paradiesischen Atoll, von der Einsamkeit einer Hollywood-Ikone, von zerstörten Gebäuden und Enzyklopädien, vom Verschwinden eines Mondkartenzeichners und einer ganzen Weltreligion, von nicht mehr auffindbaren Einhörnern, Tigern und Liebesliedern. Ein poetischer Erzählband in zwölf Akten, der nicht fabulierender, präziser und philosophischer daherkommen könnte. Der Verlust als Beginn einer Geschichte, das Verschollene als Ausgangspunkt der Fantasie. Und zu jeder Zeit entsteht an jedem Ort etwas Neues, das früher oder später wieder verschwinden wird. Die schwarz auf schwarz ins Buch gedruckten Illustrationen, die sich nur bei rechtem Lichteinfall zu erkennen geben, und die fein durchbrochene Covergestaltung machen diesen Erzählband auch visuell zu einem Kunstwerk. Die versammelten literarischen Erkundungsreisen zu den überschriebenen Stellen unserer Landkarten, zu verschollenen Kunstschätzen und verschwundenen Arten lassen jeden Verlust gegenwärtiger erscheinen als alles Anwesende. So beschwören sie auf fabelhafte Weise die tröstende Kraft der erinnernden Erzählung. Für mich die schönste Lektüre des Jahres.

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Das Genie • Klaus Cäsar Zehrer • Diogenes Verlag • 656 Seiten • 25,00 Euro [D] • ISBN 978-3-257-06998-3

© privat

KLAUS CÄSAR ZEHRER DAS GENIE

Daniel Beskos Verleger des mairisch Verlags www.mairisch.de

Die meisten werden von ihm noch nie gehört haben – und doch ist die Lebensgeschichte von William James Sidis, die sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten abspielt und von der Klaus Cäsar Zehrer in seinem ersten Roman erzählt, einfach unglaublich. Schon Williams Vater Boris Sidis war ein höchst intelligenter Mensch, der es als armer Einwanderer in den USA Ende des 19. Jahrhunderts zu akademischen Würden gebracht hat. Seinen Sohn William züchtet der Vater nach strengen, selbst aufgestellten Lernmethoden regelrecht zu einer Intelligenzbestie heran, die bereits mit elf Jahren an der Harvard-Universität gefeierte Vorträge hält. Der Vater behauptet, durch Anwendung der Sidis-Methode könnten alle Kinder die gleichen Fähigkeiten erwerben. Doch als William erwachsen wird, bricht er mit seinen Eltern und seiner Vergangenheit. Er weigert sich, seine Intelligenz einer Gesellschaft zur Verfügung zu stellen, die von Ausbeutung, Profitsucht und Militärgewalt beherrscht wird. Dass diese Geschichte so oder so ähnlich tatsächlich passiert ist, kann man kaum glauben. Aber sie ist nicht nur wahr, sondern liest sich auch noch sehr spannend und unterhaltsam – für mich auch literarisch eine der Entdeckungen der vergangenen Jahre.

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Trauer ist das Ding mit Federn • Max Porter • Übersetzer: Matthias Göritz & Uda Strätling • Hanser Berlin (auch als Taschenbuch bei Kein & Aber erhältlich) • 125 Seiten • 16,90 Euro [D] • ISBN 978-3-446-24956-1

© Smilla Dankert

MAX PORTER TRAUER IST DAS DING MIT FEDERN Isabel Bogdan Autorin und Übersetzerin Aktueller Titel: Der Pfau www.isabelbogdan.de

Was für ein umhauendes Buch, was für eine rohe Wucht. Ich bin noch ganz erschüttert und weiß nicht, ob ich das alles so richtig in Worte fassen kann. Eine recht junge Frau ist plötzlich gestorben. Ihr Mann und die beiden kleinen Söhne trauern. Wenige Tage nach dem Unglück platzt eine überlebensgroße Krähe in ihr Leben, die fortan bei ihnen bleibt, sie begleitet und ihnen immer wieder das Herz aufhackt und ihnen die Eingeweide rausreißt. Brutal, schonungslos, heilsam. Es wird aus wech­ s­elnden Perspektiven erzählt – Dad, Krähe, Jungs –, in ganz kurzen Szenen, Träumen, Geschichten; manchmal rhythmisiert, immer karg, assoziativ, wild, im Fall der Krähe stellenweise voller Neologismen und Lautmalereien. Ein Sprachkunstwerk, absolut fantastisch übersetzt von Uda Strätling und Matthias Göritz. Es ist hochliterarisch, ohne auch nur im Geringsten hermetisch oder schwer zugänglich zu sein; im Gegenteil, es ist eher so, dass es einen ohne Umweg über den Kopf gleich mitten in die Seele trifft. Der Roman ist ganz kurz, 125 Seiten im kleinen Format. Die meisten Kapitel sind nicht länger als eine Seite. Aber das reicht. Man muss die meiste Zeit nicht mal weinen beim Lesen, weil der Schmerz noch viel tiefer geht, weil jeder zweite Satz einem mit voller Kraft in die Magengrube donnert, denn die Krähe hackt nicht nur dem Vater und den Jungs das Herz auf, sondern auch dem Leser. Es tut viel zu weh, als dass man weinen könnte, es raubt einem den Atem. Unmittelbar, roh, bildhaft, ohne Erklärungen oder Beschreibungen, man stürzt vollkommen ungeschützt mit der Familie in tiefschwarzen Schmerz und Verzweiflung. Und das tut überraschenderweise irgendwie gut, man fühlt sich hinterher fast ein bisschen geheilt und ein bisschen schwer und sehr dankbar. Und Humor hat der Roman auch noch. Ich werde jetzt tun, was Rezensenten immer gern behaupten, was ich aber tatsächlich noch nie gemacht habe: Ich werde es direkt noch mal lesen. Das kommt auf meine ungeschriebene Liste der besten Bücher aller Zeiten. Bitte lest das Buch und verschenkt es und sagt es weiter.

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Dunkelgrün fast schwarz • Mareike Fallwickl • Frankfurter Verlagsanstalt • 480 Seiten 24,00 Euro [D] • ISBN 978-3-627-00248-0

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MAREIKE FALLWICKL DUNKELGRÜN FAST SCHWARZ

Florian Valerius Filialleitung der Uni-Buchhandlung Stephanus (Trier), Autor und Bookstagrammer Seine ersten beiden Bücher, 99 Bücher, die gute Laune machen und Bücher auf Rezept – Romane für jede Lebenslage, werden im August bei arsEdition erscheinen (gemeinsam mit Mareike Fallwickl verfasst). www.instagram.com/ literarischernerd

»Je näher das Grün kommt, umso mehr scheint es zu leuchten. Ein undurchdringliches Dach aus Blättern, durch das keine Sonne mehr fällt, ein Berg aus Malachit, sich win­ denden Raupen, überall.« Je tiefer man in Dunkelgrün fast schwarz von Mareike Fallwickl eindringt, desto weniger kann man ihm entrinnen. Eigentlich möchte ich gar nichts über den Inhalt, über diese faszinierende Dreiecksgeschichte, die auf diversen Zeitebenen spielt, die von Freundschaft, Liebe und Verrat erzählt, verraten. Ihr müsst es selbst entdecken, erkunden, (er)fühlen. Lange wusste ich nicht, wohin die Geschichte mich führen wird – letztendlich war es mir total egal, ich wäre Mareike überallhin gefolgt. Ihre Erzählstimme umgarnt dich, spinnt ein Netz und lässt dich nicht mehr los – oder besser: frei –, bis du letztendlich in jeden menschlichen Abgrund, in jede verletzte Seele geblickt hast, und jede Wunde, die das Leben hinterlässt – und die wahrscheinlich nie verheilen wird – selbst verspürst. Dieses Buch nimmt dich in die Mangel, treibt dich in ein Wechselbad der Gefühle und lässt dich nicht mehr los. Es kam vor, dass ich nachts um drei auf die Uhr schaute, eigentlich schon jenseits von allem war, und trotzdem das Buch nicht aus der Hand legen konnte (und wollte). Schon lange bin ich nicht mehr so tief in eine Geschichte eingetaucht. Schon lange hat mich keine Geschichte mehr so gefangen genommen, mich spekulieren, mich hoffen, mich zittern lassen, mich aufgeregt. Mareike Fallwickl hat ein unglaubliches Gespür für ihre Figuren, für deren Innenleben, deren Hoffnungen, Wünsche und Verletzungen. Eines hat mich das Buch gelehrt, nachdem ich lange darüber nachgedacht habe: Das Leben ist ein ewiger Kreislauf – und manchmal muss man einfach vergeben können.

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Die Hochhausspringern • Julia von Lucadou • Hanser Berlin • 288 Seiten 19,00 Euro [D] • ISBN 978-3-446-26039-9

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JULIA VON LUCADOU DIE HOCHHAUSSPRINGERN

Angelika Siebrands Inhaberin Buchhandlung Schwarz auf Weiß (Bad Säckingen) Vorstand eBuch eG und Geschäftsführerin genialokal.de www.swbuch.de

Die junge Riva lebt als berühmte Hochhausspringerin in einer Welt der totalen Überwachung, ist mehr Produkt der Medien als fühlendes Wesen. Doch eines Tages verweigert sie sich allem, trainiert nicht mehr und verschließt sich. Keiner kommt mehr an sie ran, eine junge Psychologin soll sie wieder auf Kurs bringen. Die Zukunft, in welcher der Roman spielt, ist eine durchgetaktete und überwachte. Das höchste Ziel ist Optimierung, was Vorteile in allen Lebensbereichen bringt. Deshalb bedroht Rivas Verweigerung auch den gesellschaftlichen Stand der Psychologin Hitomi, die darum kämpft, ihre hart erarbeiteten Privilegien nicht zu verlieren. Was diese Geschichte so außergewöhnlich macht, ist die glasklare Sprache von Julia von Lucadou, die eine bedrückende Welt entwirft, die wir heute teilweise schon erleben. Eigentlich sind dystopische Romane nicht meine Sache, aber gerade weil von Lucadou so nah und nüchtern am Heute schreibt, die beschriebene grausige Welt der Zukunft so greifbar scheint, hat mich das Buch total in seinen Bann gezogen und auch nach­ haltig beschäftigt.

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Ein Start ins Leben • Anita Brookner • Übersetzerin: Wibke Kuhn • Eisele Verlag • 224 Seiten 20,00 Euro [D] • ISBN 978-3-96161-011-2

© Irène Zandel

ANITA BROOKNER EIN START INS LEBEN

Julia Eisele Verlegerin des Eisele Verlags www.eisele-verlag.de

»Im Alter von vierzig Jahren wurde Dr. Weiss klar, dass die Literatur ihr Leben ruiniert hatte.« Was für ein erster Satz! Ein Satz voller Tragik und beißender Ironie, und gleichzeitig enthält er das Programm für das ganze Buch. Der Debütroman der Booker Prize-gekrönten Autorin ist eine hinreißende Tragikomödie, in der eine junge Frau versucht, den Fängen ihrer exzentrischen Eltern zu entkommen. Denn die sind eigentlich nur mit sich selbst beschäftigt. Also flüchtet sich Ruth in die Literatur, insbesondere in die französische, und als sie zum Studium nach Paris geht, eröffnet sich ihr ein neues Leben. Wird sie hier endlich die langersehnte Freiheit finden? In dem Vorwort von Julian Barnes, der mit der 2016 verstorbenen Autorin befreundet war, beschreibt er die skurrilen Seiten von Brookners Persönlichkeit – aber er warnt davor, sie mit den Protagonistinnen ihrer Romane zu verwechseln. Und doch kann man beim Lesen von Ein Start ins Leben nicht umhin, Vergleiche anzustellen. In jedem Fall aber wird man die Präzision und Eleganz ihrer Sprache bewundern, und ihren unvergleichlichen Witz. Eigentlich unglaublich, dass dieses Meisterwerk der »letzten großen Autorin des 20. Jahrhunderts« (Daily Telegraph) erst jetzt auf Deutsch erschienen ist.

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Ein Mann will nach oben • Hans Fallada • Aufbau Verlag • 761 Seiten 12,99 Euro [D] • ISBN 978-3-7466-2688-8

© Natalie Pelosi

HANS FALLADA EIN MANN WILL NACH OBEN

Andreas Izquierdo Autor (u.a. Fräulein Hedy träumt vom Fliegen und Der Club der Traumtänzer) www.izquierdo.de

Es sind seine Figuren, die Falladas Romane so besonders machen: Niemand erzählt mit einem größeren Herzen die Geschichten des kleinen Mannes, die vielen Anekdoten vom kleinen und großen Glück, aber auch vom Elend der Großstadt und den Gemeinheiten der Herrschenden. So beginnt auch Ein Mann will nach oben mit einem, der ganz unten ist: Karl Siebrecht ist 16 Jahre alt, als er am Grab seines Vaters steht und sich schwört, dass aus ihm mal etwas werden soll. Er ist jetzt Vollwaise und die Provinz, in der er lebt, droht ihn zu ersticken. So flieht er 1909 nach Berlin, trifft Rieke Busch und Kalli Flau – und gründet gegen jeden Widerstand ein Gepäcktransportunternehmen. Doch dann kommt der Krieg und zerstört alles, was so hoffnungsvoll begonnen hat. Staunend und mitfiebernd versinkt man in Falladas Erzählkunst: Karl, der ungelenke Macher, Rieke, die berlinernde Göre mit dem übervollen Herzen, und Kalli, der treue Freund, der für beide sein Leben geben würde. Sie und noch viele andere machen diesen Roman reich, echt und so berührend, dass man keinen von ihnen mehr vergisst.

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Das Weiße Schloss • Christian Dittloff • berlin Verlag • 304 Seiten • 22,00 Euro [D] • ISBN 978-3-8270-1385-9

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CHRISTIAN DITTLOFF DAS WEISSE SCHLOSS

Liesa Rebbig Bloggerin www.mscaulfield.com

Ich bin jetzt in diesem Alter, wo alle um mich herum Babys bekommen. Ob Schwestern, Freundinnen oder sogar mir eigentlich wildfremde Menschen, denen ich lediglich auf Instagram folge – dieses Jahr gab es gefühlt so viele Schwangerschaftsnachrichten wie noch nie. Da in meiner tatsächlichen Lebensrealität schon genug Babys unterwegs waren, bin ich dem Thema daher zumindest literarisch weitestgehend aus dem Weg gegangen. Komischerweise oder vielleicht trotz alledem ist Das Weiße Schloss – ein Roman, der genau dieses Thema verarbeitet und das Bild einer dystopischen Zukunft der Familienplanung und des Kinderkriegens zeichnet – eines der Bücher, das mich 2018 am meisten beeindruckt und zum Nachdenken angeregt hat. Christian Dittloff spinnt in seinem Debüt nämlich ein Zukunftsbild, das sich für mich gar nicht so unecht anfühlt und in dem die Familiengründung schlichtweg ausgelagert wird in das Weiße Schloss, einer elitären Institution, in der Leihmütter die Kinder für andere Paare zur Welt bringen und darüber hinaus sogar aufziehen, wenn es nicht in den eigenen Lebensentwurf passt. Mit Scharfsinn und sprachlicher Präzision wird – ohne zu werten oder zu belehren – nicht nur das konventionelle Familienkonzept, wie wir es kennen, hinterfragt, sondern auch die möglichen Modelle der Zukunft. Die Frage, die am Ende übrig bleibt: Wie unabhängig können wir unser Leben zukünftig gestalten, ohne auf dem Weg dorthin das Wesentliche aus den Augen zu verlieren?

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A Place for Us • Fatima Farheen Mirza • Hogarth • 400 Seiten • ca. 20,00 Euro [D] • ISBN 978-1-78109-069-5

© Nuraan Ackers

FATIMA FARHEEN MIRZA A PLACE FOR US

Jen Campbell Autorin und Vloggerin Ihr neues Buch, The Girl Aquarium, erscheint am 25.04.2019 bei Bloodaxe Books

A Place for Us by Fatima Farheen Mirza is a book I simply cannot stop thinking about. It tells the story of five members of an Indian American Muslim family, whose youngest child, Amar, is estranged. We‘re invited to peer through the curtains and witness twenty years of their lives: the tiny moments that snowball out of control, the love, the lies, the manipulation. It is full of such subtle complexity, and I am in awe of it. I‘ve been thrusting this book into the hands of everyone I possibly can.

www.jen-campbell.co.uk

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Königskinder • Alex Capus • Hanser Verlag • 176 Seiten • 21,00 Euro [D] • ISBN 978-3-446-26009-2

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ALEX CAPUS KÖNIGSKINDER

Kathrin Olzog Inhaberin der Barbara Buchhandlung (Moers) www.barbara-buch.de

Eines meiner Lieblingsbücher in diesem Jahr ist das Buch Königskinder von Alex Capus. Es beginnt mit einer Autofahrt von Tina und Max über den verschneiten Jaunpass. Der ist eigenlich schon gesperrt, aber die beiden fahren trotzdem mit ihrem roten Toyota Corolla an der Absperrung vorbei. Es kommt, wie es kommen muss: das Paar bleibt im Schnee stecken und die beiden verbringen die Nacht zusammen im Auto. Max, der Barbesitzer, den wir schon in dem Buch Das Leben ist gut kennengelernt haben, erzählt seiner Tina zur Ablenkung die Geschichte vom Kuhhirten Jakob Boschung, die im September 1779 beginnt. Er verliebt sich in die Tochter des Bauern Magnin. Der aber hat sich für seine Tochter eine bessere Partie vorgestellt und verbietet seiner Tochter Marie den Umgang mit Jakob. Ob und wie diese zwei Königskinder zusammenkommen und wie es Max und Tina in ihrem roten Auto ergeht, müssen Sie selber lesen. Oder Sie machen es wie mein Mann und ich und lesen sich dieses wunderschöne Buch gegenseitig vor. Vor allem die besondere, wunderschöne Sprache wird Sie in ihren Bann ziehen.

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Die Gabe • Naomi Alderman • Übersetzerin: Sabine Thiele • Heyne Verlag • 480 Seiten 16,99 Euro [D] • ISBN 978-3-453-31911-0

© Michael Tasca

NAOMI ALDERMAN DIE GABE

Anne Freytag Autorin Aktueller Titel: Nicht weg und nicht da www.annefreytag.de

Ich habe 2018 einige wirklich tolle Bücher gelesen (und auch gehört), doch es gab nur eines, das ich sprichwörtlich überall mit hin genommen habe – in die Badewanne, ins Bett, in den Urlaub und dort sogar auf die Toilette: Die Gabe von Naomi Alderman. Das war Ende März. Aus dem Jetzt betrachtet, kann ich nicht mehr sagen, was an diesem Roman mich am meisten gefesselt hat: die Idee, die Umsetzung, die Wendungen, die stets unerwartet blieben, oder doch das Spiel, das Alderman mit dem Leser spielt? Und das bis ganz zum Ende. Diesem großartigen Ende. Einem Ende, das mich als Schriftstellerin in Ehrfurcht hat schweigen lassen. Ich spreche nicht vom Ende der Geschichte, ich spreche vom Ende des Romans. Alderman hat mich gefangengenommen und erst ganz am Schluss wieder freigegeben. Mir hat nicht alles gefallen, es gab durchaus Aspekte, die mich gestört haben, doch ich denke, dass sie ihre Berechtigung in der Geschichte hatten. Und selbst wenn nicht, sehe ich gern darüber hinweg, weil die Autorin es geschafft hat, mich zu packen. Ich bin jeden ihrer Gedankengänge mitgegangen, habe mir ihre Fragen gestellt, allen voran die eine: Wäre die Welt denn wirklich eine bessere, wenn Frauen an der Macht wären? Die Antwort muss man selbst lesen. Mich hat sie überrascht. Und mit dem Ende des Romans hat Alderman mich fertiggemacht. Ich wünschte, es wäre von mir gewesen.

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Georgien. Eine literarische Reise • Mit Beiträgen von Fatma Aydemir, Lucy Fricke, Abo Iaschaghaschwili, Archil Kikodze, Anna Kordsaia-Samadaschwili, Nestan Nene Kwinikadse, Ulla Lenze, Tamta Melaschwili, Katja Petrowskaja, Stephan Reich, Volker Schmidt, Irma Tawelidse - Mit einem Vorwort von Nino Haratischwili und Illustrationen von Julia Bührle-Nowikowa Übersetzerinnen: Rachel Gratzfeld & Sybilla Heinze • Frankfurter Verlagsanstalt • 220 Seiten • 25,00 Euro [D] ISBN 978-3-627-00257-2

© Robert Jentzsch

GEORGIEN. EINE LITERARISCHE REISE

Malu Schrader Lektorin und Bloggerin www.buchbuechse.de www.instagram.com/ buchbuechse

»Sie werden seltener, aber es gibt sie noch, die Einladungen, zu denen ich nicht Nein sagen will. Je abwegiger, desto besser. Und wenn jemand fragt, ob ich Lust habe, nach Tuschetien zu reisen, und ich denke: Tuschetien? Nie gehört, dann sage ich sofort zu.« (Aus Don’t smoke on the horse – Eine zu kurze Reise durch Tuschetien von Lucy Fricke) Gleich am Anfang muss ich eine Warnung aussprechen: Dieses Buch kann akute Reiselust auslösen. Die beteiligten Autoren schreiben so vielfältig, lebendig und persönlich von ihren Georgienreisen, dass man direkt die Koffer packen möchte. Das Buch hat eine besondere Entstehungsgeschichte: Im Sommer 2017 reisten sechs Autorenduos in verschiedene Regionen Georgiens, etwa eine Woche lang, immer ein georgischer und ein deutscher Schriftsteller zusammen. Das Ergebnis zwischen zwei Buchdeckeln: die literarisch verarbeiteten Reiseeindrücke. Als besonders spannend empfand ich die doppelte Perspektive – wer sieht was im eigenen, im fremden Land? Zu jeder Region gibt es zwei Texte, und was für den einen Autor zentral ist, kann im Text des anderen nur eine Neben- oder gar keine Rolle spielen. Spannend! Genauso wie die unterschiedlichen Zugänge und Textformen der Literaten. Und natürlich all das, was man über Georgien erfährt: über die Menschen und die Natur, das Essen, die Landschaften und Städte. Ein wunderbares Buch für alle, die gern (lesend) reisen.

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Die Unversehrten • Tanja Paar • Haymon Verlag • 160 Seiten • 17,90 Euro [D] • ISBN 978-3-7099-3416-6

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TANJA PAAR DIE UNVERSEHRTEN

Petra Lux Bloggerin www.dieliebezudenbuechern.de

Fünf Minuten hat es gedauert. Fünf Minuten, in denen ich die Seiten aufschlug, die ersten Sätze las und das Buch nicht mehr aus der Hand legen konnte. Tanja Paar schreibt in einer reduzierten Erzählweise. Kurze und prägnante Kapitel treiben die Handlung voran, und obwohl dieses Buch nur wenige Seiten umfasst, hat man nie das Gefühl, dass es auch nur eine Seite zu viel oder zu wenig ist. Diese reduzierte Erzählweise erreicht hier die Perfektion. Denn die Autorin serviert nur das Nötigste, spart sich gekünstelte Umschreibungen oder lange Ausführungen. Diese Reduktion macht das Buch so unglaublich stark, weil es die Wirkung ihrer Worte erhöht und die Geschichte so intensiv und einnehmend ist, dass sie nicht loslässt. Nicht alles, was passiert, ist gut – und doch hat man am Ende eine Art Verständnis für beide Seiten. Im Zeitraffer verfolgt der Leser die Geschichte von Vio, Martin und Klara. Anfangs ist nicht ganz klar, wohin die Geschichte führt. Man verfolgt gespannt die einzelnen Statio­ nen und endet dann in einer Explosion, die einiges geraderückt, viele Fragen beantwortet und die Geschichte neu ordnet. Man braucht stellenweise starke Nerven, wird emotional mitgerissen und kann das Buch nicht einfach zur Seite legen und vergessen. Wenn ein Buch das kann, dann ist es große Literatur! Auf wenigen Seiten eine derartige Story zu konzipieren, ist große Kunst und ich kann das Buch daher nur unbedingt empfehlen. Lesen!

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Der Mann, der Hunde liebte • Leonardo Padura • Übersetzer: Hans-Joachim Hartstein • Unionsverlag 736 Seiten • 16,95 Euro [D] • ISBN 978-3-293-20579-6

© Martin Mascheski

LEONARDO PADURA DER MANN, DER HUNDE LIEBTE

Leif Greinus Verleger Voland & Quist www.voland-quist.de

Dass Leo Trotzki in Mexiko ermordet worden ist, weiß man wahrscheinlich allein wegen des monströsen Mordwerkzeugs. Weniger bekannt ist der Weg Trotzkis nach Mexiko. Auf die Verbannung aus Moskau nach Alma Ata folgten die Ausweisung in die Türkei, die Aberkennung der Staatsbürgerschaft und damit die beginnende Verfolgung durch die sowjetische Geheimpolizei, dann kurze Stationen in Frankreich und Norwegen. So lesen wir es, eindrücklich geschildert, in Leonardo Paduras Roman Der Mann, der Hunde liebte. Neben dem historischen Erkenntniszuwachs, den man bei der Lektüre erfährt, ist der Erzählstrang um Trotzkis Mörder Ramón Mercader die große Stärke. Padura nimmt an den historischen Abläufen keinen Eingriff vor: Trotzki stirbt und Mercader kommt ins Gefängnis. Er zeichnet dafür den Weg Mercaders zum Attentäter sehr durchdringend. Eine gebrochene, die Bourgeoisie hassende Mutter. Eine Geliebte, die den Kommunismus über alles stellt und die gemeinsame Tochter weggibt, und schließlich der physisch und psychisch grauenhafte Drill zur Vorbereitung auf das Attentat. All das würde für ein großes Werk reichen, Padura aber setzt einen weiteren, in diesem Fall fiktiven, Protagonisten hinzu. Mit Iván, vom kubanischen Regime zum Aufgeben seiner Schriftstellerkarriere gezwungen, tauchen wir in das Leben auf Kuba der 1970er und 80er Jahre ein. Bravo!

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Alle, außer mir • Francesca Melandri • Übersetzerin: Esther Hansen • Wagenbach Verlag • 608 Seiten 26,00 Euro [D] • ISBN 978-3-8031-3296-3

© Ingo Pertramer

FRANCESCA MELANDRI ALLE, AUSSER MIR

Vea Kaiser Autorin Ihr neuer Roman, Rückwärtswalzer, erscheint am 07.03.2019 bei Kiepenheuer & Witsch www.veakaiser.de

Mein Buch des Jahres stammt von einer Autorin, die mich, ohne dass ich es wusste, schon als Kind begeistert hat. Francesca Melandri war als Drehbuchautorin für niemand geringeren als meine Heldin Prinzessin Fantaghirò verantwortlich. Und umso beeindruckender ist es, dass sie nach diesem filmischen Meisterwerk nun einen meisterhaften Roman geschrieben hat, wie man ihn zu selten in die Hände bekommt. Anhand eines Vaters und seiner drei bis fünf Kinder erzählt Melandri in Alle, außer mir (Originaltitel: Sangue guisto) die Geschichte Italiens von den dunklen Stunden des 20. Jahrhunderts bis in die Schwierigkeiten der Gegenwart. Spannend, bewegend, manchmal zu Tränen, manchmal zu Lachen rührend lässt einen dieser Roman nicht los, bis der Leser in Partnerschaft mit den Figuren die dunkelsten Geheimnisse entdeckt hat. Warnung: wenn man mit dem Lesen begonnen hat, kann man nicht mehr aufhören. Ein seltenes Meisterwerk der Gegenwartsliteratur! Intensiv im besten Sinn!

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Ein ungezähmtes Leben • Jeannette Walls • Übersetzerin: Tanja Handels • Diana Verlag • 368 Seiten 9,99 Euro [D] - ISBN 978-3-453-35562-0

© Antonia Pütz

JEANNETTE WALLS EIN UNGEZÄHMTES LEBEN

Michael Sommer Autor, Regisseur, Übersetzer und Dramaturg - Ausgezeichnet mit dem Grimme Online Award 2018 für Sommers Weltliteratur To Go Aktueller Titel: Gehst du Goethe www.sommers-weltliteratur.de

Ich wusste nicht so recht, was mich erwartet, als ich anfing, Ein ungezähmtes Leben zu lesen. Es war ein Zuschauerwunsch für meinen YouTube-Kanal Sommers Weltliteratur To Go, in dem ich wöchentlich Bücher mit Hilfe meines Playmobilensembles vorstelle. Zu meiner großen Freude war es ein echtes Aha-Erlebnis, diese »True-Life Novel« kennenzulernen. Die Autorin Jeannette Walls erzählt darin nichts anderes als die packende Lebensgeschichte ihrer Großmutter Lily Casey Smith, die in einfachsten Verhältnissen im damals noch Wilden Westen der USA Anfang der 1900er Jahre aufwächst, sich dann aber in den Kopf setzt, Lehrerin zu werden – gegen alle Widerstände und Wahrscheinlichkeiten. Humorvoll und immer wieder überraschend wird geschildert, wie sich diese pragmatische Frau Bildung erkämpft und Bildung an Kinder weitergibt, wie sie von Männern bekämpft und betrogen wird und doch eine Liebe findet und eine Familie gründet, wie sie als Mutter immer wieder scheitert und doch dazulernt. Ist noch jemand auf der Suche nach modernen Heldinnen? Meet Lilly! Die Playmobil-Zusammenfassung von Sommers Weltliteratur To Go findet ihr hier: https://youtu.be/mn6c7oL9hLo

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Mythos – Was uns die Götter heute sagen • Stephen Fry • Übersetzer: Matthias Frings • Aufbau Verlag 448 Seiten • 24,00 Euro [D] • ISBN 978-3-351-03731-4

© privat

STEPHEN FRY MYTHOS –WAS UNS DIE GÖTTER HEUTE SAGEN Christiane Hoffmeister Inhaberin Büchereck Niendorf-Nord (Hamburg) www.buechereckniendorf.de

Wer glaubt, dass klassische Literatur immer trocken sein muss, der wird durch Stephen Frys Mythos – Was uns die Götter heute sagen eines Besseren belehrt. Die alten griechischen Göttersagen hat der britische Schauspieler und Komiker – Monty Python ist legendär – sich vorgenommen. Vom Muff befreit, ganz neu erzählt, und das mit so viel Lust und Leidenschaft, dass man förmlich hineingezogen wird in diesen verstaubt geglaubten Stoff. Wir sind dabei, wenn Gaia Rache an Uranos nimmt, wenn Zeus geboren wird und vor Eifersucht tobt. Ein Götterreich voller Liebe, Lust und Intrigen. Jede Vorabendsoap ist dagegen Kindergarten. So ganz nebenbei – und auf eine humorvolle Art und Weise – gibt uns Stephen Fry dann auch etwas Bildung mit auf den Weg. Wenn Sie nicht wussten, warum das Atlas-Gebirge Atlas-Gebirge heißt, was Kronos mit chronisch zu tun hat: nach dieser Lektüre wissen Sie es.

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Stern des Nordens • D.B. John • Übersetzerinnen: Karen Witthuhn & Sabine Längsfeld • Wunderlich (auch als Paperback bei Wunderlich erhältlich) • 560 Seiten • 24,00 Euro [D] • ISBN 978-3-8052-0332-6

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D.B. JOHN STERN DES NORDENS

Luise Ritter Bloggerin www.aufgeblaettert.org

Kaum etwas wissen wir über die genauen politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse Nordkoreas. D.B. Johns Stern des Nordens bringt uns eine Welt näher, die so fern wirkt. Der Politthriller liest sich wie eine Dystopie. Die erschreckende Erkenntnis dabei: Der fiktiven Geschichte liegen reale Erfahrungsberichte zugrunde. Zum Inhalt: CIA Agentin Jenna Williams wird auf eine Geheimmission nach Nordkorea geschickt. Sie nutzt diese Situation, um die Wahrheit über ihre Schwester herauszufinden, die vor Jahren plötzlich in Südkorea verschwand. Bäuerin Moon will nur eines: überleben. Sie findet ein Hilfspaket aus dem Ausland und verkauft es auf dem Schwarzmarkt. Sie gewinnt den Respekt der Marktfrauen, als sie dort eine Kollegin vor der Polizei deckt und wird eine Stimme des Widerstands. Cho soll zu einem der Vertrauten der Kim-Dynastie befördert werden. Jedoch muss die Führungsriege eine staatstreue Linie über drei Generationen hinweg aufweisen. Die Nachforschungen zu seiner Familie decken ungeahnte Geheimnisse auf. Als er zudem Jenna Williams kennenlernen soll, ahnt er nicht, wie diese Begegnung sein Weltbild erschüttern wird. Durch die unterschiedlichen Handlungsstränge taucht man in das unbekannte Nord­ korea ein. Der Roman zeigt auf bedrückende, aber auch beeindruckende Weise die Abgründe des Regimes auf. Das Buch ließ mich persönlich so schnell nicht wieder los …

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Guten Morgen, Genosse Elefant • Christopher Wilson • Übersetzer: Bernhard Robben • Kiepenheuer & Witsch 272 Seiten • 19,00 Euro [D] • ISBN 978-3-462-05076-9

© privat

CHRISTOPHER WILSON GUTEN MORGEN, GENOSSE ELEFANT xKarenina Bloggerin www.instagram.com/ xKarenina

»Mein Papa ist Doktor Roman Alexandrowitsch Zipit, Professor für Veterinärmedizin, Fachgebiet Neurologie der Großhirnkunde, also ein Spezialist für alles, was im Kopf der Tiere schiefgehen kann, jedenfalls solange sie ein Rückgrat haben und im Hauptstadt­ zoo leben.« Der 12-jährige Juri, Sohn eines Zoodirektors, hat einen Hirnschaden, seitdem ihn die Straßenbahn überfuhr. Zu allem Unglück hat er außerdem noch ein so vertrauenser­ weckendes Gesicht, dass ihm gar Fremde ungefragt ihre Geheimnisse aufbürden. So landet er auf einmal mitten in der Geschichte Russlands, als Stalins Begleiter und Vorkoster. Dass da kaum ein Auge trocken bleibt, ist vorprogrammiert. Ich bin insgesamt Russland-interessiert, aber dieses Buch hat genug andere Gründe, gelesen zu werden. Es ist witzig, traurig, berührend, anregend. Und es ist schlau. Ich wage sogar zu behaupten: Es ist intelligent und schlau. Eine wunderbare Satire und Kritik. – Sehr lesenswert!

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The Doll House • Phoebe Morgan • HarperCollins • 384 Seiten • ca. 12,00 Euro [D] • ISBN 978-0-00-832066-9

© Gaby Gerster

PHOEBE MORGAN THE DOLL HOUSE

Lori Nelson Spielman Autorin (u.a. Morgen kommt ein neuer Himmel und Heute schon für morgen träumen) www.LoriNelsonSpielman.com

The Doll House, a psychological thriller by Phoebe Morgan, has everything I love in literature: beautiful prose, fast-paced plotting, edge-of-the-seat suspense, and best of all, heart. I‘m normally a slow reader, but I devoured this one. Morgan packs loads of tension and suspense into her gripping debut novel, where ordinary, highly-relatable characters find themselves spooked by unusual events. The unexpected twists and turns surprised me each time – especially the ending! With multiple points of view that add depth and intrigue, The Doll House had me turning pages well into the wee hours of the morning. I couldn‘t put this book down! Highly recommend!

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Befreit • Tara Westover • Übersetzer: Eike Schönfeld • Kiepenheuer & Witsch • 448 Seiten 23,00 Euro [D] • ISBN 978-3-462-05012-7

© Jupp Schmitz

TARA WESTOVER BEFREIT

Dorothee Junck Inhaberin Buchladen Neusser Straße (Köln) www.buchladen-nippes.de

Diese beeindruckende Biografie habe ich mit angehaltenem Atem gelesen. Das Mormonenmädchen Tara Westover geht – ohne Bildung und medizinische Versorgung – ihren eigenen Weg und schaffte es sogar als Gaststipendiatin nach Harvard, bevor sie ihren Doktortitel am Trinity College erwarb. Sie schildert in eindrucksvollen Worten ihren ganz persönlichen Lebensweg. Ihr Vater, fundamentalistischer Mormone, ist vom baldigen Ende der Welt überzeugt. Taras Mutter, die einzige Hebamme in der Gegend, heilt die Wunden mit ihren Kräutern. Tara und ihre Geschwister gehen nicht zur Schule, sie haben keine Geburtsurkunden, und ein Arzt wird selbst bei fürchterlichsten Verletzungen nicht gerufen. Nichts ist dieser Welt ferner als Bildung. Und dann taucht 1999 als Jahreszahl auf und man hält inne. 1999? Unsere Zeit? Man kann es nicht glauben, aber es ist auch amerikanische Bildungsrealität, die so bei uns nicht möglich wäre. Das macht einen auch dankbar und so ist diese Biografie ein ganz wunderbarer Dreiklang aus Faszination, Geschichte und Reflexion über die eigenen Errungenschaften.

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Menschen wie du und ich • Sandra Bühler, Sandra Schmid • Stämpfli Verlag • 168 Seiten 59,00 Euro [D] • ISBN 978-3-7272-6007-0

© Fotostudio Berns

SANDRA BÜHLER, SANDRA SCHMID MENSCHEN WIE DU UND ICH Maren Kahl Online-MarketingManagerin bei Bastei Lübbe www.lesejury.de

Im Dictionary of Obscure Sorrows erfindet John Koenig Begriffe für Empfindungen, die jeder kennt, für die es aber keinen Ausdruck gibt. Eine Wortneuschöpfung in seiner Sammlung gefällt mir ganz besonders: adronitis. Damit bezeichnet der Autor den »Frust darüber, wie lange es dauert, jemanden kennen­ zulernen. Die ersten Wochen verbringt man mit Smalltalk in der Eingangshalle ihrer Persönlichkeit und mit jeder weiteren Konversation gelangt man bloß in ein weiteres Vorzimmer, dem Wohnzimmer immer nur ein wenig näher. Stattdessen wünschst Du Dir, dort drinnen beginnen zu können und Dich dann nach außen vorzuarbeiten. Also zuerst die intimsten Geheimnisse auszutauschen, dann Unverfänglicheres und erst nach Jahren zu fragen: ›Wo kommst Du her? Und was machst Du beruflich?‹« Allen, denen dieses Gefühl ebenso vertraut ist wie mir, möchte ich Menschen wie du und ich ans Herz legen. Bei ihrem gemeinsamen Projekt reisten Sandra Schmid und Sandra Bühler um die Welt, um fremde Menschen zu interviewen. Im Mittelpunkt stand immer die Frage: »Was hat dich im Leben am meisten geprägt?« Und die Menschen erzählten ihre Geschichten. Es entstand ein Bildband, der neben beeindruckenden Berichten auch einzigartige Fotos zeigt: schwarz-weiße Porträtbilder, bei der jede Sommersprosse, Falte und Narbe – bei der jede Spur, die das Leben hinterlässt, ausge­ arbeitet ist. Ein Buch, das einen tiefen Blick in die Menschen gewährt. Ein Schatz, dem ich viele Leser wünsche.

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Geh, wohin dein Herz dich trägt • Susanna Tamaro • Übersetzerin: Maja Pflug • Diogenes Verlag (auch als Taschenbuch erhältlich) • 320 Seiten • 12,00 Euro [D] • ISBN 978-3-257-26120-2

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SUSANNA TAMARO GEH, WOHIN DEIN HERZ DICH TRÄGT Ava Reed Autorin und Bloggerin Ihr neuer Roman, Alles. Nichts. Und ganz viel dazwischen, erscheint am 15.02. bei ueberreuter www.avareed.de www.instagram.com/ avareed.books

»Und wenn sich dann viele verschiedene Wege vor dir auftun werden, und du nicht weißt, welchen du einschlagen sollst, dann überlasse es nicht dem Zufall, sondern setz dich hin und warte. Atme so tief und vertrauensvoll, wie du an dem Tag geatmet hast, als du auf die Welt kamst, laß dich von nichts ablenken, warte, warte noch. Lausche still und schweigend auf dein Herz. Wenn es dann zu dir spricht, steh auf und geh, wohin es dich trägt.« Drei Generationen von Frauen, ein Vermächtnis. Olga schreibt kurz vor ihrem Tode ein Brief-Tagebuch an ihre aus der Enge der Familienzwänge geflohene Enkelin und denkt dabei an all die guten und schmerzlichen Zeiten zurück. Sie schreibt alles nieder, gesteht ihrer Enkelin ihre tiefe Liebe und zeichnet dabei gemachte Fehler, besondere Momente und unausgesprochene Gedanken auf. Manchmal schwermütig, vielleicht auch sentimental, aber vor allem auf gewisse Art hoffnungsvoll erzählt Tamaro diese für mich einzigartige Geschichte, die ohne viele Dialoge, Actionszenen oder dem großen Knall daherkommt. Sie ist ruhig und zart, und das habe ich geliebt. Es geht um das Leben, die Familie, um Entscheidungen. Um Fehler, Chancen und Möglichkeiten. Es geht um Verständnis und ums Verzeihen. Um Liebe. Diese Geschichte enthielt für mich so manche Weisheit, so manchen Satz, den ich mir unbedingt notieren wollte, um ihn nicht zu vergessen oder den ich schlicht ein weiteres Mal lesen wollte, weil ich spürte, er ist besonders. Mehr als einmal war ich tief berührt, mehr als einmal wurden in mir eigene Erinnerungen geweckt. Während man Olga begleitet, kommt man nicht umhin, sein eigenes Leben und das seiner Familie zu betrachten. Sich zu erinnern, zu schauen, wo man schon war und zu überlegen, was vielleicht auf einen wartet. Zu lachen und zu weinen. Zumindest ging es mir so.

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Barbarentage • William Finnegan • Übersetzerin: Tanja Handels • Suhrkamp Nova • 566 Seiten 18,00 Euro [D] • ISBN 978-3-518-46873-9

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WILLIAM FINNEGAN BARBARENTAGE

Tina Lurz Mitinhaberin der Kommunikationsagentur ehrlich & anders und Bloggerin

Surfer, Reisender, Vagabund, immer am Meer, immer auf den Wellen – das ist William Finnegan. In Barbarentage schreibt er von seiner Kindheit auf Hawaii, seinen Begegnungen mit neuen Freunden und alten Bekannten überall auf der Welt und von der Suche nach der perfekten Welle in einer Zeit, in der es noch keine Smartphones, Flug­ suchmaschinen oder Tourismuszentren gab.

Ich mochte es kaum glauben, dass die Geschichten wirklich wahr sind, so fern wirkt die Welt, aus der sie stammen, so absurd sind manche Abenteuer und so detailgenau beschreibt er ganze Tage, die er auf den Wellen verbracht hat. Und dennoch verschweigt www.ehrlich-anders.de www.revolutionbabyrevolution.de der Pulitzer-Preisträger nicht etwaige politische oder gesellschaftliche Umstände, er schildert subtil, aber sehr nah – nah an den Menschen, den Ländern, dem Meer. Ich fühlte mich beim Lesen, als wäre ich mittendrin, Salz in den Haaren und die Füße im Sand, das Surfbrett unterm Arm. Und das Gefühl von Freiheit kann man so selbst unterm Weihnachtsbaum fast erahnen.

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Sagte sie. 17 Erzählungen über Sex und Macht • Lina Muzur (Hrsg.) • Hanser Berlin • 224 Seiten 20,00 Euro [D] • ISBN 978-3-446-26074-0

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LINA MUZUR (HRSG.) SAGTE SIE. 1 7 ERZÄHLUNGEN ÜBER SEX UND MACHT Franziska Hansel Marketing Managerin Content & digitale Kommunikation Hugendubel Buchhandlungen www.hugendubel.de

Dieses Buch in drei Worten? Der absolute Wahnsinn! 17 Geschichten über Sex und Macht, Egoismus, Lügen und Liebe – und wo die Grenzen dazwischen verlaufen. Ich habe dieses Buch teils mit angehaltenem Atem und Tränen in den Augen gelesen. Jede Geschichte ist eine Perle, unverwechselbar, originell. Herausragend starke Frauen werden Sie durch völlig unterschiedliche Geschichten führen und Sie herausfordern. Geistig und körperlich. Seite auf Seite begegnet Ihnen neue Bedrängnis, Erniedrigung und Angst. Es erwartet Sie also die volle Ladung an starker weiblicher Literatur, ein durchaus mutiges Buch. Die Autorinnen sind unterschiedlicher wie sie es nicht sein könnten – und doch zeugt jeder Satz und jedes Wort von der gleichen persönlichen Note, die Sie sich versprechen. Ich bewundere diese Seiten zutiefst und bedaure doch, dass es nur so wenige sind. Wären es 17 Bücher gewesen, ich hätte jedes einzelne gelesen. Nein, … eingeatmet. Lesen Sie es! Und sprechen Sie darüber. Dieses Buch ist wichtig. Es ist keine Anklage, sondern eine Auseinandersetzung mit Momenten, in denen die Grenzen verwischen und die Frage nach Schuld und Moral ungeklärt bleibt. Diese Essays werden helfen, Worte zu finden. Worte für die Dinge, über die wir viel zu lange nicht gesprochen haben. Das Unsagbare definiert sich über uns. Denken Sie mal darüber nach.

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Ein anderes Brooklyn • Jacqueline Woodson • Übersetzerin: Brigitte Jakobeit • Piper Verlag • 160 Seiten 20,00 Euro [D] • ISBN 978-3-492-05865-0

JACQUELINE WOODSON EIN ANDERES BROOKLYN

Alexandra Stiller Bloggerin www.buecherkaffee.de

Ein anderes Brooklyn ist ein starkes und intensives Buch, das sehr nachdenklich stimmt und tief bewegt. Schon nach den ersten Seiten spürt man diese Vibrationen, die Melodie und den Rhythmus, den Jacqueline Woodson in ihren Schreibstil legt. Kein Wort zu viel oder zu wenig. Alles, was gesagt werden muss, wird gesagt – der Rest ist offen, der Raum für das Ungesagte ist groß. August reist nach Brooklyn, um der Beerdigung ihres Vaters beizuwohnen. Sie begegnet ihrer Jugendfreundin Sylvia und wird von Erinnerungen eingeholt. Erinnerungen an eine Stadt, die ihr wie ein Stein im Bauch lag. August und ihr Bruder ziehen in jungen Jahren – zusammen mit dem Vater – nach Brooklyn, die Mutter bleibt zurück. Das Brooklyn der Siebzigerjahre ist kein sicheres Pflaster und der Vater behält die Kinder im Haus, möchte sie beschützen. Die Geschwister betrachten das Leben durch das Zimmerfenster, distanziert, sie sind Zuschauer. Aber nach und nach dürfen sie raus, sich vortasten und das Leben in Brooklyn kennenlernen. August wächst im Freundinnenbund zur Jugendlichen heran, gemeinsam sind sie stark, sie lieben sich, sie haben Rasierklingen … Sie alle haben ihre Last zu tragen, kämpfen mit ihren Ängsten. Es sind die eigenen Erinnerungen, die belasten. Es sind die Erinnerungen der Eltern, die zur Bürde ihrer Kinder werden: »Erwachsene verheißen uns ihre eigene gescheiterte Zukunft.« Was bedeutete es für die Kinder, im Brooklyn dieser Zeit aufzuwachsen? Wo wird dieses Leben sie hinführen, wenn die Kindheit endet? Fragen, denen Woodson auf den Grund geht. Sehr lesenswert!

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Nora Webster • Colm Tóibín • Übersetzer: Giovanni & Ditte Bandini • Hanser Verlag (auch als Taschenbuch bei dtv erhältlich) 384 Seiten • 26,00 Euro [D] • ISBN 978-3-446-25063-5

© Marc Perino

COLM TÓIBÍN NORA WEBSTER »Sie müssen die doch langsam überhaben.« Lisa-Marie Dickreiter Autorin (u.a. Max und die wilde 7 (Reihe) und Vom Atmen unter Wasser) www.lisamariedickreiter.de

So beginnt der Roman Nora Webster, und schon dieser erste Satz enthält das Thema der Geschichte: die Übergriffigkeit, mit der andere Leute Nora sagen, was sie zu fühlen, zu denken und vor allem: zu tun hat. Im provinziellen Irland der Sechzigerjahre ganz normal, besonders in der Kleinstadt, in der Nora lebt, und in der jeder jeden kennt. »Sie kannte Mays Lebensgeschichte bis hin zu ihrem Mädchennamen und der Stelle auf dem Friedhof, an der sie einst begraben werden würde.« Als junge Witwe mit vier Kindern hat es Nora nach dem viel zu frühen Tod ihres Mannes nicht leicht, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Mich hat es beim Lesen regelrecht wild gemacht, wie sie auf Schritt und Tritt beobachtet wird, selbst das Färben ihrer Haare wird zum Skandal! Nora Webster von Colm Tóibín ist eine Emanzipationsgeschichte der leisen Töne. Seine unaufgeregte und gleichzeitig elegante Prosa erzeugt einen Sog, der einen nicht mehr los- und ganz in Noras Leben eintauchen lässt. Ein eindringlicher und wunderschöner Roman, der einem bewusst macht, wie vielen Beschränkungen Frauen noch vor sechzig Jahren in ihrem Alltag ausgesetzt waren.

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Kleiner Mann – was nun? • Hans Fallada • rororo Verlag • 424 Seiten • 9,99 Euro [D] • ISBN 978-3-499-27372-8

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HANS FALLADA KLEINER MANN – WAS NUN?

Mia Weber Bloggerin www.paperandpoetryblog.de

Wenn man Kleiner Mann – was nun? liest, gerät man sofort in eine Art Sog, der einen Zeile für Zeile einatmen und Seite für Seite umblättern lässt. So rauschartig wie Fallada schreibt, so saugt man diese Worte auch in sich auf. Dabei ist es vollkommen gleichgültig, dass dieser Roman bereits 1932 zum ersten Mal erschienen ist, denn das macht ihn kein bisschen weniger aktuell. Fallada beschreibt – leicht verständlich inklusive authentischem Berlinerisch und mit feinem Blick für gesellschaftliche Missstände – das Leben unter den Umständen und Auswirkungen in der Weimarer Republik. Im Fokus dabei die kleinen Leute, die versuchen, mit wenig Geld einigermaßen und gerade so über die Runden zu kommen und dabei immer wieder vor neuen, schier unüberwindbaren Mauern landen. Probleme über Probleme, die nur gemeinsam erträglich zu werden scheinen. Man leidet mit, man lacht mit, aber am wichtigsten: man lebt mit. Im Buch in einer ganz anderen Zeit, aber in Wirklichkeit doch in derselben. Vieles ändert sich, ja, doch das sind immer nur äußere Umstände. Die Sorgen, aber auch die Freuden bleiben oft dieselben – und das ist es, was diesen Roman ausmacht, ihn lebendig werden und zutiefst menschlich erscheinen lässt: die spürbare Verbundenheit zur Vergangenheit, die die Gegenwart erst ermöglicht.

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Ich weiß, warum der gefangene Vogel singt • Maya Angelou • Übersetzer: Harry Oberländer • Suhrkamp Verlag 321 Seiten • 12,00 Euro [D] • ISBN 978-3-518-46897-5

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MAYA ANGELOU ICH WEISS, WARUM DER GEFANGENE VOGEL SINGT Ilke Sayan Bloggerin www.youtube.com/ buchgeschichten

Maya Angelou erzählt autobiografisch von ihrer Kindheit bis zu ihrem siebzehnten Lebensjahr. Geboren 1928, wächst sie als afroamerikanisches Mädchen in den Südstaaten auf. In dem Geschäft ihrer Oma verleben Maya und ihr Bruder eine glückliche Kindheit, sich noch kaum des allgegenwärtigen Rassenhasses bewusst. Einen traumatischen Wendepunkt erlebt Maya im Alter von acht Jahren. Sie wird vergewaltigt. Sie verstummt. Es werden noch einige Schicksalsschläge folgen. Angelou berichtet, wie ihr mit zunehmendem Alter die Ungerechtigkeit der Rassentrennung und der Hass bewusst werden. Das verunsicherte, traumatisierte Mädchen reift zu einer selbstbewussten Frau heran, die sich entschließt, für ihr Recht und gegen das Gefühl der Minderwertigkeit, Ohnmacht und Perspektivlosigkeit einzustehen. Mit Erfolg: Sie bekommt einen Job, der nur Weißen zustand. Geschrieben in einer schönen Sprache, ist es ein starkes und berührendes Buch. Es ist sowohl melancholisch als auch hoffnungsvoll, dabei weder selbstmitleidig noch auf­ rührerisch. Es hallt nach. Auch ich weiß nun, warum der gefangene Vogel singt …

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© Annette Hornischer / Random House

Hitze • Jane Harper • Übersetzer: Ulrike Wasel & Klaus Timmermann • rororo Verlag (auch erhältlich als Paperback bei rowohlt Polaris) • 384 Seiten • 9,99 Euro [D] • ISBN 978-3-499-27250-9

JANE HARPER HITZE

Amelie Fried Autorin und Moderatorin Aktueller Titel: Paradies www.ameliefried.de

Ich habe eine neue Lieblings-Krimi-Autorin, auf deren Debüt ich zufällig stieß und total fasziniert war. Die Handlung spielt in Australien, in einem gottverlassenen Kaff namens Kiewarra. Die ganze Gegend stöhnt seit Monaten unter der Hitze und der zunehmenden Dürre, die Farmer fürchten um ihre Ernten, die Stimmung ist angespannt. Das Buch beginnt aus der Perspektive von Schmeißfliegen, die sich – angezogen von einem unwiderstehlichen Geruch – einem Haus nähern. Und noch bevor das erste Kapitel vorbei ist, wissen wir, dass etwas Furchtbares passiert ist. Drei Menschen wurden erschossen. Der junge Farmer Luke Hadler, seine Frau und sein Sohn Billy. Einzige Überlebende der Familientragödie ist das Baby, ein kleines Mädchen. Zur Beerdigung kommt – zum ersten Mal nach zwanzig Jahren, als er mit seinem Vater den Ort verlassen musste – Aaron Falk, mittlerweile Ermittler im Bereich von Finanz- und Steuerbetrug bei der Polizei in Melbourne. Er wird von den Eltern des Toten gebeten, dem mysteriösen Todesfall auf den Grund zu gehen. Und gerät dabei immer tiefer hinein in ein Geflecht aus Ungereimtheiten und Lügen. Er stößt gegen eine Mauer aus Abwehr und Schweigen, wenn er versucht, mit den Bewohnern des Ortes ins Gespräch zu kommen. Mehr und mehr Spuren führen in die Vergangenheit, und so erfahren wir schließlich auch die Geschichte des Aaron Falk und seine Verbindung mit den Geschehnissen rund um die Familie Hadler. Ein sorgfältig erzählter, atmosphärisch dichter Roman, der seine Spannung aus der Psychologie der Figuren, ihren schicksalhaften Verwicklungen und der über allem lastenden Hitze und Trockenheit bezieht, die man beim Lesen förmlich zu spüren glaubt.

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Mein Ein und Alles • Gabriel Tallent • Übersetzer: Stephan Kleiner • Penguin Verlag • 480 Seiten 24,00 Euro [D] • ISBN 978-3-328-60028-2

GABRIEL TALLENT MEIN EIN UND ALLES © privat

Hin und wieder gibt es diese Bücher, die auch ich als Vielleserin lange nicht vergessen kann. Mein Ein und Alles von Gabriel Tallent zählt dazu. Rike Kellermann Bloggerin www.instagram.com/ rikexcharlie

Erzählt wird die Geschichte von Turtle Alveston und der Beziehung zu ihrem Vater Martin. Die 14-Jährige wächst isoliert in den nordkalifornischen Wäldern auf, in einem heruntergekommenen Zuhause, wo Schießübungen und das tägliche Reinigen der Waffen ebenso an der Tagesordnung sind wie rohe Eier zum Frühstück. Ihr Vater beteuert immer wieder seine bedingungslose Liebe zu seiner Tochter, seinem »Ein und Alles«, und dennoch wird Turtles Leben von seinen seelischen, körperlichen und emotionalen Misshandlungen bestimmt. Als Turtle eines Tages den gleichaltrigen Jacob kennenlernt, fängt sie immer mehr an, die Beziehung zu ihrem Vater infrage zu stellen und sich von ihm abgrenzen zu wollen – was dieser mit aller Gewalt verhindern will. Turtle ist viel zu früh gezwungen, ihren eigenen Weg zu finden. Einen Weg, der nicht weniger bedeutet als den Kampf um Leben und Tod. Manche Szenen sind so detailreich und intensiv geschildert, dass es beim Lesen förmlich wehtut: man möchte gleichzeitig wegsehen und unbedingt weiterlesen. Man wird wütend, man fiebert mit, man fühlt sich hilflos, angeekelt und doch ist da auch so viel Verletzlichkeit und Poesie. Selten habe ich ein Buch gelesen, das psychologisch so gut ausgearbeitet war und das mich so aufgewühlt hat. Doch es ist nichts für schwache Nerven, man sollte wissen, dass man sich auf eine schonungslos verstörende Geschichte einlässt. Aber das lohnt sich allemal. Ein grandioser Debütroman mit einer unvergesslichen Heldin, der erschüttert, berührt, aufwühlt und lange nachwirkt. Eine Geschichte, die alles beinhaltet, was ein unvergessliches Buch für mich ausmacht.

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Loyalitäten • Delphine de Vigan • Übersetzerin: Doris Heinemann • DuMont Buchverlag • 176 Seiten 20,00 Euro [D] • ISBN 978-3-8321-8359-2

© Fotostudio Berns

DELPHINE DE VIGAN LOYALITÄTEN

Torsten Woywod Online-PR und Social Media beim DuMont Buchverlag und Autor www.instagram.com/ torstenwoywod

Vor ein paar Jahren habe ich in einer Waterstones Buchhandlung entdeckt, dass man ausgewählten Büchern dort ein Podest baut, das von einer nachdrücklichen Empfehlung begleitet wird: »Wenn Sie in diesem Monat nur ein Buch lesen, dann lesen Sie dieses.« Wenn es nach mir ginge und es das Ganze auch hierzulande gäbe, würde ich Loyalitäten von Delphine de Vigan auf ein solches Podest stellen. Und ich würde schreiben: »Wenn Sie in diesem Jahr nur ein Buch lesen, dann lesen Sie dieses.« Warum? Loyalitäten ist ein Roman, der ans Herz und an die Nieren geht. Die Erzählung beginnt aus der Perspektive von Hélène, einer Pariser Lehrerin, die sich Sorgen um ihren Schüler Théo macht. Théo Lubin ist zwölf Jahre alt und eigentlich ein guter Schüler. Doch er wirkt zunehmend müde und ausweichend. Hat es mit der Trennung seiner Eltern zu tun? Unter einem Vorwand lässt Hélène ihn von der Schulschwester untersuchen, die jedoch nichts Ungewöhnliches diagnostizieren kann. Es scheint, als habe Hélène sich getäuscht … Doch der Schein trügt. Mit jedem kurzen Kapitel und jedem Perspektivwechsel (die Geschichte wird aus insgesamt vier Blickwinkeln beleuchtet) dringen wir fortan tiefer zum Kern des Dramas vor. Delphine de Vigans Sprache ist schnörkellos und hochpräzise. Ohne jede Effekthascherei entwirft sie eine bedrückende und zugleich zutiefst berührende Geschichte, die einen von der ersten Seite in ihren Bann zieht und in vielerlei Hinsicht nachdenklich stimmt. Ich habe dieses Buch inzwischen mehrfach verschenkt – nicht nur, weil es ein unglaublich lesenswerter Roman ist, sondern auch aus purem Eigennutz: Ich hatte das dringende Bedürfnis, mich mit anderen über das Gelesene auszutauschen.

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BÜCHER VON TIPPGEBERINNEN UND TIPPGEBERN AUS DIESEM KATALOG Falls das noch nicht genug Buchempfehlungen waren, finden Sie hier eine kleine Auswahl an Titeln, die von Tippgeberinnen und Tippgebern dieses Katalogs geschrieben und  / oder verlegt wurden.

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