Vortrag in der Freien ev. Gemeinde Lüdenscheid, Börsenstr. am 14. Mai 2017
("Tag der FeG-Geschichte" und Verleihung des Neviandt-Preises an Dr. Wolfgang Dietrich, Unna):

"Erweckung und Erbauung" - zur "Sauerländischen Erweckungsbewegung"
in Beispielen aus dem Gebiet des heutigen Märkischen Kreises im Zeitraum von 1745 bis 1900

 


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Die zu dem Lüdenscheider Vortrag gezeigten 31 Folien mit allen Abbildungen kann man sich online HIER herunterladen (PDF).
Diese Webseite gehört zu www.pastoerchen.de. Vgl. verwandte Seiten in:
www.pastoerchen.de/heimatgeschichte.htm

Aufbau und Kurz-Zusammenfassung des Vortrags auf ausgeteiltem Textblatt (PDF-Datei, eine DIN-A4-Seite) HIER
Zwei bebilderte Vorankündigungen
zu diesem Vortrag aus den "Lüdenscheider Nachrichten"  (vom 7.4.2017, PDF hier) und zum Erscheinen von "Aus vergangenen Tagen", Band 2 (vom 20.4.2017, PDF hier).
Radio MK - Sendung "Kreuz und Quer" am Morgen des 14.5.2017 - Moderation Sabine Langenbach und Interview André Günther mit FG zum o.g. Vortrag in Lüdenscheid - Audiolink MP3 HIER
FeG-Zeitschrift "Christsein heute", Ausgabe Juni 2017, S. 55 über die Lüdenscheider Veranstaltung (und auch diesen Vortrag) HIER

Foto von Dr. Wolfgang Dietrich nach der Preisverleihung in Lüdenscheid (dessen unten auf dieser Webseite vorgestellter großer Band 2 zur "Sauerl. Erweckungsbewegung" hat 528 (!) Seiten und kostet nur 25 €; Bestellung möglich über pastoerchen@gmx.de):



1. Einleitung, Hinführung zum Thema
Meine Damen und Herren, liebe Geschwister aus den Freien ev. Gemeinden, lieber Bruder Wolfgang Dietrich!
"Die Reformation kam bis nach Lüdenscheid"
[vgl. den Buchtitel von Richard David Precht] steht für den heutigen Tag auf dem Programm, und für den frühen Nachmittag nun, da könnte es heißen: "Die Erweckung kam bis Lüdenscheid"; darüber habe ich zu reden, und darüber rede ich sehr gerne.
Ich möchte einleitend kurz andeuten, was mich an diesem Thema fasziniert hat, bis ins eigene Leben hinein: Schon als ich ein Halbwüchsiger war, da wusste ich als Kind der Freien evangelischen Gemeinde in Schwerte, dass außer in Witten in Lüdenscheid und ringsum ganz wichtige Männer und Frauen des Glaubens wohnten, der Bundes-Sonntagsschulonkel Rudolf Ahrens, der Evangelist
Paul Lenz später, und dann alle die, die ich als Jungscharler kennen lernte, wenn wir mit den Lüdenscheidern und Kindern aus Halver und Mühlenrahmede und den Ronsdorfern alljährlich in die Hollandfreizeit fuhren, da haben sich mir viele aus Lüdenscheid eingeprägt, von Hans-Wilhelm Phlipsen bis zu Edelgard aus Halver, der Frau von Peter Strauch, bis hin zu Burchard Leppert, Karl Jürgen Schmidt, Martin Ahrens und andern, und was wir da erlebten in Holland, war für mich als Kind "Erweckung und Erbauung" in einem, ganz elementar.
Und später waren es an mehreren Stellen Lüdenscheider, die mich an "Erweckung und Erbauung" gemahnten: Als 19-jähriger Abiturient nahm ich an einem der riesigen
Pfingstmontags-Waldgottesdienste an der Glörtalsperre mit Pfarrer Paul Deitenbeck und seinem Lüdenscheider Team teil, und dieser Gottesdienst hat mir klargemacht, ich wollte und sollte beruflich Pastor werden und nicht Lehrer, ein Weg der mich 13 Monate nach Ewersbach führte und dann ins Theologiestudium an der Uni, bei dem ich am Schluss zwei Jahre mit vier Lüdenscheider Christen aus dem weiteren Umkreis des CVJM zusammen in einer Wohngemeinschaft im Ruhrgebiet wohnte, u.a. mit Jochen Bohl, dem aus Lüdenscheid stammenden heutigen Altbischof Sachsens und seiner Frau Marga geb. Grote aus der FeG hier in Lüdenscheid. "Die Erweckung kam bis Lüdenscheid" - ich könnte noch zig Lüdenscheider nennen, die mir im erwecklichen Umkreis biographisch wichtig und zum Segen wurden, bis hin zu Klaus-Jürgen Diehl und Jürgen Werth, die ich seit Jahrzehnten kenne und mag. Soweit meine Einleitung - meine Hinführung zu unserm Thema…

2. "Erbauung und Erweckung" und die beide Bücher Wolfgang Dietrichs von 2015 und 2017



Oft schon habe ich mir die Frage gestellt: Wie kommt es, dass es sich so "drubbelt" in Lüdenscheid und Umgebung? Da gaben mir diese beiden Bücher hier manches Aha-Erlebnis, und ich muss sagen: ich fand ich die Lektüre, die der aus Lüdenscheid stammende Dr. Wolfgang Dietrich hier bietet, sehr aufregend und faszinierend! Es ist das 356 Seiten umfassende Buch "Aus vergangenen Tagen der Freien evangelischen Gemeinde Lüdenscheid" aus dem Jahr 2015 und der just gestern (!) am 13. Mai 2017 erschienene zweite Band mit einem Umfang von über 500 Seiten: "Aus vergangenen Tagen der Sauerländischen Erweckungsbewegung", das ich freundlicherweise schon seit über einem halben Jahr zur Kenntnis nehmen und durcharbeiten durfte.
Ich empfinde das als zwei geniale Bücher! Sorgfältig erarbeitet, mühsam zusammengetragene gut kommentierte Texte! Überzeugend dargestellt wird darin, wie die Erweckungsbewegung hier im Sauerland ringsum Lüdenscheid Segensspuren hinterließ. Wolfgang Dietrich hat in seinem ersten Band auf S. 45 dargestellt, wie
Hermann Heinrich Grafe (der eigentliche Gründer der ersten Freien ev. Gemeinde in Deutschland) einmal in Werkshagen übernachtet hatte und mit Begleitern auf Lüdenscheid zugehend die aufgehende Sonne betrachtet habe und ausgerufen habe: "Lüdenscheid für den Herrn. Das ist die Evangeliumssonne von Lüdenscheid!", eine Art Weissagung von Grafe, die in Dietrichs Darstellung wiederholt genannt wird.
Das eben im Titel dieses Vortrags genannte Begriffspaar "Erweckung und Erbauung" beschreibt die beiden Pfeiler dessen, was Dr. Dietrich aus der Vorgeschichte und Frühgeschichte der Freien Gemeinden umfassend frömmigkeitsgeschichtlich darstellt. Dabei zeigt er zu dem einen Pfeiler "Erbauung", wie es seit der Vorgeschichte der Freien ev. Gemeinden lebendige Gruppierungen gab (man kann dazu auch "Hauskreise" sagen oder "Versammlungen"), in denen in Erbauungsstunden, in Bibelbesprechstunden, das Neue Testament und die ganze Bibel der Mittelpunkt und das Lebenselixier dieser Gemeinschaften wurde, wobei aus dem Lesen und Verstehen der Schrift Glaube und Gemeinschaft untereinander sich intensivierten - eine Entwicklung, wie sie seit Philipp Jakob Speners Zeiten im alten Pietismus schon begonnen hatte, wie sie dann in den FeGs besonders typisch blieb, bis hin zu den Erbauungsstunden nach Ende des zweiten Weltkrieges, wie sie Nelly Scheffel aus Lüdenscheid mitstenographiert hatte und wie Wolfgang Dietrich das in seinem ersten Band darstellte. Der andere "Pfeiler" Erweckung ist untrennbar damit verbunden. Dass es unter Gottes Wort zu faszinierenden Erweckungen kam und dass das nicht wegzudenken ist aus der Vor- und Frühgeschichte der Sauerländischen Gemeinden, davon sind die insgesamt fast 900 Seiten randvoll, die Dietrich zusammen mit seinem Team verfasste bzw. zusammenstellte.
Immer wieder kommt Dietrich auf den von ihm geprägten Begriff der "Sauerländischen Erweckungsbewegung" zu sprechen, und ich jedenfalls nehme das so auf, dass er nicht die Vergangenheit nostalgisch verklären will, sondern dass er voller Entdeckerfreude für die Gegenwart zeigen will, dass das alles nicht bloß langweilige Geschichte und nicht bloß Asche von gestern ist, sondern: dass es ihm um "Erweckung" geht, das meint die Verheißung, dass das Wort Gottes nicht leer zurückkommt und dass es wie die Bibel sagt - ein Hammer ist, der Felsen zerschlägt. "Wache auf, der du schläfst, stehe auf von den Toten, so wird Christus dich erleuchten!" Ich verstehe die beiden Bücher Dietrichs so, dass sie ein Imperativ in dieser Richtung sind: in schwerer Zeit umso intensiver sich wecken zu lassen von diesem Christus.
Der andere Neviandt-Preisträger August Jung, der mir mit 13 biblischen Unterricht erteilte, sagte einmal sinngemäß als einen seiner programmatischen Sätze: "Wem heute die Erneuerung und Reformation der Gemeinde am Herzen liegt, trägt dazu nicht nur mit guter Exegese und Bibelkenntnis bei, sondern je länger je mehr werden dazu auch die kritischen Kenntnisse der Kirchengeschichte nötig sein…"
In der wissenschaftlichen Theologie ist der Pietismus und die Erweckungsbewegung recht gut erforscht worden, z.B. was den frommen Wuppertaler Raum angeht und das Siegerland, vieles weiß man zum radikalen Pietismus in Berleburg und auch eine ganze Menge zu Pietismus und Erweckungsbewegung in Ostwestfalen, im Minden-Ravensberger Land (dort über Volkening, Bodelschwingh usw.). Der heutige Märkische Kreis aber kommt dabei fast nirgends vor; da scheint ein weißer Fleck zu sein! Diese Lücke hat auch unser Preisträger Wolfgang Dietrich zu Recht genannt: Band 1, S. 71 und 72 in einer großen Anmerkung: beim Thema "Erweckungsbewegung" - schreibt Dietrich zu Recht - komme das Sauerland nicht vor. Wobei man dazusetzen kann: Nach den beiden Bänden von 2015 und 2017 kann man an Dietrichs Funden sicherlich nicht mehr vorbei. "Sauerland - Ein Erweckungsland" - der erste (so weit ich sehe), der dafür ein Auge hatte, war der frühere Neviandt-Preisträger Hartmut Weyel, der in seinem großen Lebensbild über den "Sonntagsschulkaiser" Friedrich Kaiser wunderbar demonstriert, dass er bei all den hier wichtigen geistlichen Persönlichkeiten bestens im Thema ist und sich auskennt.

3. "Die Erweckung kam bis Lüdenscheid" - Lebensbilder aus der Erweckungszeit im Sauerland um Lüdenscheid herum nach Wolfgang Dietrich
Ich will hier aus den lesenswerten und empfehlungswerten beiden Bänden Dietrichs nur ganz wenige Rosinen rauspicken und bloß einen Miniausschnitt bieten, um anzudeuten, wie man sich damals ab 1860 hier im Lüdenscheider Raum an "Erweckung" freuen konnte und wie das auch die sich herausbildenden Freien ev. Gemeinden inspiriert hat.
Und ich will danach im späteren Schlussteil des Vortrags - wie es im Titel dieses Vortrag steht - in "weiteren Beispielen" von "Erweckung und Erbauung" aus dem Märkischen Kreis zeigen, dass "Erweckung und Erbauung" frömmigkeitsgeschichtlich ein ganz wichtiges Thema war in unserer Gegend von 1745 an bis 1900 auch bei uns oben im Nordkreis um Hemer und Iserlohn. Dabei möchte ich in beiden Abschnitten an Bildern und an Lebensbildern ein wenig illustrieren, was hier Erweckliches geschehen ist…
Zwei christliche Originale sind hier zu nennen als wichtige führende Persönlichkeiten jener Sauerländischen Erweckungsbewegung, die beide mit Vornamen Peter Wilhelm heißen: a) Peter Wilhelm Sonnenhol und b) Peter Willhelm Kaiser.

    
Peter Wilhelm Sonnenhol (1825 - 1911) und rechts sein Sohn Wilhelm Sonnenhol (1858 - 1930)

a) Den ersten den wir zeigen [oben links], ist, Peter Wilhelm Sonnenhol (1825 bis 1911). Der Landwirt Peter Wilhelm Sonnenhol bewirtschaftete den Beckerhof (der auf dem Gebiet liegt in unmittelbarer Nähe der heutigen Fürwiggetalsperre zwischen Lüdenscheid und Meinerzhagen). Peter Wilhelm Sonnenhol gehörte zum "Urkreis" jener Erbauungsstunden-Gruppe, aus der die Lüdenscheider Freie ev. Gemeinde entstand. Weitere Gruppenmitglieder waren: Gottlieb Scheffel, der 1845 aus Altenburg in Sachsen nach Lüdenscheid kam und später der allererste Gemeindeälteste der FeG Lüdenscheid war, ferner z.B. die spätere Frau des anderen "Peter Wilhelm" mit Namen Maria Katharina Nölle und deren Bruder Caspar Nölle.
Bereits dieser allererste Kreis hatte etwas mit erwecklichen Strömungen im heutigen Märkischen Kreis zu tun. Zwei erwecklich auf Glaubenserneuerung ausgerichtete landeskirchliche Pfarrer sind da zu nennen, die durch ihre Verkündigung in dieser Richtung gewirkt hatten: Pfarrer Kaspar Philipps in Lüdenscheid und Pfarrer August Rauschenbusch in Altena.
Unser Peter Wilhelm Sonnenhol war bewusst christlich erzogen, er hatte ein gläubiges Elternhaus, und sein Gemeindepfarrer, der ihn taufte und dann konfirmierte, war alles andere als ein lauer Pfarrer, er war ein verantwortlich sich um das Seelenheil seiner Gemeindeglieder kümmernder Gottesmann, den Sonnenhol lebenslang geschätzt hat; er sagte von Pfr. Kaspar Philipps (1795 bis 1849) [Bild rechts unten], der ihn prägte, dass dieser genau wie sein leiblicher Vater für die ihm anvertrauten Seelsorgekinder "von Herzen" gebetet habe. In den beiden Bänden von Dietrich kommt an mehreren Stellen vor, dass Kaspar Philipps ein erwecklich tätiger Pfarrer war.
Mehr noch: In Westfalen gibt es seit Kaspar Philipps als Anfangspunkt eine ganze beachtliche Pfarrerdynastie von mehreren Generationen "Philipps". Ich bin gut bekannt mit dem Ururenkel Klaus Philipps, dem früheren Dortmunder Superintendenten, und ich kannte auch dessen Vater, den Arnsberger Altsuperintendenten Werner Philipps, der hochbetagt 2004 starb [und dem ich eine eigene Webseite widmete]. Aus der Familie Philipps besitze ich auf CD die Kopien wichtiger historischer Dokumente aus der Familie auch zu ihrem ersten Vorfahren im Amt, diesem Kaspar Philipps, der Lüdenscheider Pfarrer und dann auch Kreisschulinspektor war, das hohe Amt des Superintendenten in Lüdenscheid von 1835 bis 1841 innehatte und danach immerhin Assessor der Synode Lüdenscheid war. In den Philipps-Stammbäumen kann man lesen, dass die Eheleute Philipps acht Kinder hatten, und bei den ersten beiden Töchtern eigentümlicherweise den gleichen Schwiegersohn: Karl Ludwig Josephson [zu diesem
HIER und - ausführlicher - HIER]! Das war ein Pfarrer, der auch einmal in meiner Gemeinde in Deilinghofen gewirkt hatte und der dann in der Erweckungsbewegung im Wuppertal ein bekannter und bedeutender Pfarrer in Barmen-Wupperfeld wurde, Karl Ludwig Josephson, der zuerst die älteste Philipps-Tochter heiratete und nach deren Tod deren jüngere Schwester, die zweitälteste Philipps-Tochter. Nach dem frühen Tod von Pfarrer Kaspar Philipps zog die Witwe Philipps auch von Lüdenscheid nach Barmen, wo Josephson sein Pfarrhaus hatte.
Dieser wichtige Pfarrer Philipps aus Lüdenscheid war also eine prägende Gestalt und ein Vater im Glauben für den Lebensweg unseres Peter Wilhelm Sonnenhol, der zum genannten Urkreis der Freien ev. Gemeinde Lüdenscheid, dem "Scheffel-Kreis" gehörte.
Ein zweiter wichtiger Pfarrer der erwecklichen Richtung hatte zuvor intensiv auf genau diesen Erbauungskreis eingewirkt, wie es in den von Wolfgang Dietrich zusammengestellten Texten an mehreren Stellen vermerkt ist: auf den "Scheffel-Kreis" hatte jene Erweckung sich ausgewirkt, die von Pfarrer August Rauschenbusch (1816 bis 1899) in Altena ausgegangen war [Bild links]. Rauschenbusch ist in der Erweckungsbewegung ein ganz prominenter Name - im Minden-Ravensberger Land und auch in Wuppertal-Elberfeld. Dort in Elberfeld hatte der Opa Hilmar Ernst Rauschenbusch für Erweckung gekämpft, und dieser war dort einer der führenden Männer gewesen, dessen Sohn, August Rauschenbuschs Vater, ein sehr engagierter und fähiger Pfarrer, kam ins Sauerland an die Lutherische Kirche in Altena und wurde hier auch Superintendent des Kirchenkreises Iserlohn. August, der Sohn, war in Altena geboren, wurde Theologiestudent und wollte Pfarrer werden, und er ging da durch viele Höhen und Tiefen, dass ihn der Glaube verließ, und er in einer Bekehrung mit 20 Jahren einen völlig neuen Anfang machte. Als 1840 der Altenaer Pfarrer Rauschenbusch sen. starb, wurde wenig später - 1841 - sein Sohn August Rauschenbusch Pfarrer in der gleichen Gemeinde. Schon die Antrittspredigt war ungewöhnlich: Er wollte, dass in Altena Bekehrung passierte und lud in seiner Verkündigung dazu ein, dass dort aus Namenschristen Christen werden. Das hat von Anfang an viel Staub aufgewirbelt, der stellvertretende Superintendent kam wütend nach Altena, das sei keine normale Antrittspredigt und keine Bußpredigt mehr, sondern eine Strafpredigt. Andere sahen das sehr positiv, und eine Menge heißt es, "wurden erweckt". Nur bis 1845 blieb Rauschenbusch in seiner Heimatgemeinde, und in der kurze Zeit entstanden dort Bibel- und Missionsvereine, Mäßigkeitsvereine, Vereine mit Armenfürsorge usw., ein missionarischer Einfluss, der bis zu jenem genannten "Scheffel-Kreis" ging und bis hin zu unserm Peter Wilhelm Sonnenhol.
Übrigens wanderte August Rauschenbusch bald in die neue Welt aus; er ließ sich im Mississippi taufen und wurde Baptist, schließlich sogar ein führender Baptist in den USA, dessen Sohn Walter Rauschenbusch noch berühmter wurde: ein baptistischer Theologieprofessor, der da der Vater des "Social Gospels" war; einer, der oft mit Martin Luther King in einem Atemzug genannt wurde. August Rauschenbuschs Wirken in Altena trug übrigens auch zum Entstehen einer baptistischen Gemeinde in Altena bei; das nur am Rande.
Uns interessiert hier, was sich im Blick auf die Sauerländische Erweckungsbewegung weiter im Leben von Peter Wilhelm Sonnenhol ereignete. Dieser war ein Glaubenszeuge durch und durch, aber ein gar nicht extrovertierter Typ, auch nicht der große Prediger, sondern eher einer, der sich mit Worten schwer tat. In Meinerzhagen wirkte er aus christlicher Überzeugung als Presbyter in der Kirchengemeinde. Es ergab sich, dass auf dem, Beckerhof, den er bewirtschaftete, Erbauungsstunden gehalten wurden. Dass es dazu kam - Sonnenhol schilderte, das hänge zusammen mit einer "ernsten Wendung" in seiner Familie, und es hatte mit Generalsuperintendenten Dr. Julius Wiesmann eine Menge zu tun. Anlässlich der Einführung eines neuen Superintendenten in Herscheid wurde durch den Generalsuperintendenten Dr. Wiesmann dort Staub aufgewirbelt, denn der Kirchenführer hatte den sauerländischen Pfarrern ins Gewissen geredet, sie seien für das Seelenheil ihrer Seelsorgekinder verantwortlich und hätten sich einmal deshalb vor Gott Rechenschaft abzulegen. Und zu diesem verantwortlichen Tun würde auch gehören, dass man Andachten - im Hause gehalten - fördern solle. Diese "Standpauke von oben" führte dann dazu, dass auf dem Beckerhof mit den dorthin orientierten Erweckten Versammlungen gehalten und sonntägliche Gottesdienste eingeführt wurden (seit 1860 immer am ersten Sonntag im Monat) und schließlich auch das Brot gebrochen wurde… Der Beckerhof wurde dann weithin bekannt als "Pilgerhütte am Ebbe". Der (zweitälteste) Sohn Wilhelm Sonnenhol (1858 bis 1930) [Bild oben] war ungewöhnlich aktiv: geistig, geistlich und theologisch, und dieser Wilhelm Sonnenhol sammelte einen Kreis von stark an der Bibel orientierten Freunden um sich. Wilhelm Sonnenhol war der sehr originelle "Theologie im Bauernrock", der in jenem Kreis der Gleichgesinnten auch das neue Testament im griechischen Urtext studierte und theologische Bücher las.

 

Peter Wilhelm Kaiser und der Kaiserhof (letzterer nach einem Ölgemälde, das findet sich im Umschlagbild von Wolfgang Dietrichs Band 2)

b) Das andere Zentrum der Erweckungsbewegung in dieser Gegend war in Werkshagen der Hof des anderen "Peter Wilhelm": Peter Wilhelm Kaiser (1827 bis 1908), der mit Peter Wilhelm Sonnenhol verwandt war. Mentalitätsmäßig war Peter Wilhelm Kaiser das extreme Gegenteil des eben vorgestellten "Peter Wilhelm". Auch wie er zum Glauben kam, war spontaner und abrupter. Er war ein lebenslustiger junger Mann, der auch gern mal einen trank, und als er Soldat wurde und in Köln ins Lazarett kam, erlebte er mit und bei einem dortigen Unteroffizier seine sehr klare Bekehrung - hin zu einem ganz kindlichen Glauben mit großer Spontaneität und großem Gemeinschaftssinn. Das bestimmte von da an seine gesamte Freizeit. Wenn er nicht arbeitete auf dem Land - zumal in den Wintermonaten, dann reiste und verkündigte er - auf seine eigene originelle Weise. Er war der "Liederkaiser", der in seine einfachen spontanen Predigten immer Liederverse einfügte, bis zu 50 Strophen in eine Predigt. Er hatte ein riesengroßes Gemeinschaftsbedürfnis. Und sehr bald nach seiner Bekehrung hat er seinen eher schüchternen Vetter Peter Wilhelm Sonnenhol animiert, mitzukommen nach Wiedenest in die Kirche, wo der wortgewaltige Pfarrer Jakob Gerhard Engels (1826 bis 1897) aus Nümbrecht [zu Engels vgl. auch das Lebensbild von Arno Pagel] zusammen mit den Ortspfarrer Pfr. Carl Gottlieb Trommershausen (1806 bis 1888) einen eindrucksvollen großen Erweckungsgottesdienst hielt, ein Schlüsselerlebnis, das die genannte "ernste Wendung" bei Sonnenhol bewirkte.
Ähnlich sieht man Peter Wilhelm Kaiser häufig auf dem Weg in die oberbergische Gegend um Gummersbach, Wiedenest und Waldbröl, zu den dortigen großen geistliche Großveranstaltungen und Missionsfesten jener beiden wichtigen Pfarrer der Oberbergischen Erweckungsbewegung, die auch stark ins Sauerland ausstrahlten. Diese beiden Pfarrer Engels und Trommershäuser waren nach den genannten Pfarrern Philipps, Rauschenbusch und Dr. Wiesmann weitere wichtige und prägende Vertreter der erwecklich-pietistischen Richtung. Die Vollmacht der Verkündigung bei Pfarrer Engel in Nümbrecht war beachtlich;  durch Engels Wirken ging der sonntägliche Gottesdienstbesuch in die Tausend, ist überliefert.
Aus der Sicht von Peter Wilhelm Kaiser ging es darum, überall geistliche Menschen zu vernetzen in einem "Gemeinschaftsnetz", mit ihnen Allianz zu leben, egal woher sie geistlich kamen. Alle, die mit Ernst Christ sein wollten, waren ihm besonders lieb, und auch bei landeskirchlichen Pfarrern, die da einen Draht hinhatten, hatte er gar keine Schwierigkeiten, sie auf ihre Evangelisations- und Missionsbemühungen hin anzusprechen und mit ihnen zusammenzuarbeiten.
Ein gutes Beispiel dafür ist das Dorf Dahle vor Altena, das Kaiser immer wieder besuchte, weil ihm die Gläubigen dort sehr lieb waren, ja, das (übrigens heute noch) fromme Dahle war und blieb geprägt von der großen geistlichen Autorität des pietistisch ausgerichteten Pfarrers Johann Heinrich Hasenkamp (1750 bis 1814) [zu Hasenkamp gibt es ausführlich Biographisches HIER und HIER; ferner seine posthum gedruckten "Christlichen Schriften"; Download dazu PDF], des ersten Pfarrers, der dort an der Dahler Kirche wirkte und seiner ebenfalls erwecklich ausgerichteten Nachfolger. Dahler Missionsfeste, so liest man auch bei Dietrich in Band 2, hatten für die Umgebung geradezu eine magnetische Wirkung.
Und dann kommen wir zum Höhepunkt der Sauerländischen Erweckungsbewegung im 19. Jahrhundert am Beckerhof der Familie Sonnenhol und am Werkshagener Kaiserhof in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts, wie er in Dietrichs beiden Büchern in vielen anschaulichen Erinnerungen vergegenwärtigt wird: dass beide Höfe Segensorte wurden, die die Suchenden und die Gläubigen magisch anzogen, dass dort an beiden Höfen die Erweckung Platz griff und nicht zuletzt auch die sich herausbildende Freie ev. Gemeinde Lüdenscheid und ihre Töchtergemeinden prägte. Eine große Rolle dabei spielten die Großveranstaltungen, die auf beiden genannten Höfen abwechselnd stattfanden: die Pfingstversammlungen, die immer auf dem Sonnenholschen Beckerhof stattfanden und die Erntedank-Versammlungen auf Kaisers Hof in Werkshagen. Von weither kamen die Leute dorthin gepilgert und auf jedem beider Höfe übernachteten allein ca. 80 Leute (meist im Stroh), insgesamt waren es so 500 bis 600 Leute, die zweimal im Jahr an diesen Versammlungen teilnahmen und durch das Wort gestärkt und neu erweckt wurden. In den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts schenkte Gott eine größere Erweckung, namentlich im Jahr 1875, da darf ich einmal wörtlich nach Wolfgang Dietrichs zweiten Buch zitieren, S. 135:
"Die eigentliche Erweckung … nahm ihren Anfang gelegentlich der Versammlung am ersten Pfingsttage des Jahres 1875 auf dem Beckerhof. Hier sprach der Stadtmissionar Karl Koch aus Elberfeld in einfacher und packender Weise unter Heranziehung mancher Beispiele aus dem eigenen Leben. Der Herr bekannte sich zu seinem Zeugnis in fast einzigartiger Weise; es war einfach, aber durchschlagend. […] Es kam zu einer mächtigen Bewegung, deren Wellen immer stärker in die Umgebung hineinschlugen; bis ins Volmetal, nach Kierspe, Lüdenscheid, Schalksmühle, Halver, Valbert, Wiedenest, Gummersbach, Frömmersbach, Derschlag und Waldbröl. Im Laufe der Zeit kamen mehrere Hundert Seelen zum Frieden mit Gott. In der Beckerhofer, Werkshagener und Kiersper Gegend war ein Geisteswehen, ein Regen und Bewegen, so dass fast niemand diesen Wirkungen sich zu entziehen vermochte".
Meine Damen und Herren, alles andere zu dieser Erweckungsbewegung kann man bei Dietrich schön nachlesen und sich auch genauer informieren, wie über den Evangelischen Brüderverein besondere Beziehungen zu Elberfeld bestanden und wie das zur Herausbildung der Freien evangelischen Gemeinde in Lüdenscheid und dann ringsum im Sauerland führte, ferner wie die Werkshagener Gemeinde ihr Domizil dann am Drögenpütt fand und wie die Familie Sonnenhol den Beckerhof wegen des Baus der Fürwiggetalsperre aufgeben musste und einen neuen Hof am Hottebruch erwarb. Wir belassen es bei diesen aus Dietrich herausgepickten Rosinen und kommen im Schlusskapitel zu "weiteren Beispielen" von "Erweckung und Erbauung" im Raum Hemer und Iserlohn.

4. Zum Thema "Erweckung und Erbauung" im Nordteil des Märkischen Kreises im Raum Hemer und Iserlohn im Zeichen der Herrnhuter Brüdergemeine zwischen 1745 und 1900
Einige einflussreiche erbaulich orientierte Geistliche der Landeskirche haben wir im Bisherigen schon kennen gelernt. Ein besonderes Exemplar in ähnlicher Richtung ist hier vorzustellen: Johann Gangolf Wilhelm Forstmann (1706 bis 1759) [zu Forstmann vgl. die Darstellung in der Deutschen Biographie und meine Webseite zu ihm], der in Iserlohn als Pfarrerssohn geboren wurde und als Pfarrer in Hemer wirkte - schon sein Bild hier zeigt, dass wir hundert Jahre früher liegen, dieser Forstmann war noch aus dem Perückenzeitalter; er war fast ein Zeitgenosse Zinzendorfs noch und er wurde in seiner Hemeraner Zeit und danach in seiner Zeit als Pfarrer in Solingen ein großer Bewunderer, Verehrer und Schüler des Grafen Zinzendorf, der ihn auch in Solingen besuchte, und mit Gerhard Tersteegen hatte Forstmann von Solingen aus ebenso Umgang. Kein Geringerer als der große Gelehrte Johann Georg Hamann aus Königsberg hat von diesem gesagt, dass nach Luther keiner gewaltiger gepredigt hätte als Forstmann [Näheres dazu hier].
Forstmanns Thema ist genau das Gleiche wie bisher: um Erweckung ging es durch und durch - darum, dass (wie Zinzendorf das anstrebte) Glauben Herzenssache wird und der Heiland und sein für uns vergossenes Blut Menschen zu neuem Leben in einer neuen Gemeinschaft führt. Forstmann ist, was seine eigene Erweckung betrifft, einen eigenwilligen Weg gegangen: Er war in Halle stark pietistisch beeinflusst worden im Studium und von den Eltern christlich erzogen, und er hat sich - man höre und staune - während er Pfarrer in Hemer war, bekehrt und das seiner Gemeinde öffentlich gebeichtet, eine Beichte, die für viele viele seiner Gottesdiensthörer den Anstoß gab, bewusst Christen zu werden. Richtig Herrnhuter nach Zinzendorfs Richtung wurde Forstmann aber erst "nach Hemer" in seiner Solinger Zeit, das wurde da in gewisser Weise noch eine zweite Bekehrung, die auch dazu führte, dass er von Solingen aus seinen Nachfolger in Hemer Pfarrer Johann Dietrich Angelkorte (1710 bis 1751), auf den er viel Einfluss hatte und den er auch ganz und gar für Zinzendorf und die Herrnhuter begeisterte. Sogar eine Eheschwester ließ sich Angelkorte aus dem Kreis der Herrnhuter Geschwister kommen aus Holland, und als seine erste Frau starb, musste die zweite wieder aus dem Kreis der Herrnhuter sein, alles eine Entwicklung in Hemer, von der durch viel Briefwechsel Graf Zinzendorf bestens Bescheid wusste. Kurzum: 1745 kam es in Hemer zu einer kleinen Erweckung, und es war von Anfang an ein kleiner und dennoch ein reger Kreis besonders in Hemer-Sundwig, wo die Erweckten ihre Heimat hatten: in einem Kirchenkotten, der eigentlich zu Deilinghofen gehörte, im Hof Rentzing-Alberts, wo heute die historische Sundwiger Wassermühle arbeitet, da war das Domizil der Erweckten im Herrnhuter Sinn seit Zinzendorfs Zeiten und weit über 200 Jahre blieb es das - bis nach dem zweiten Weltkrieg. Neben den beiden genannten Pfarrern Forstmann und Angelkorte war der Patriarch dieser Bewegung der mit Beiden gleichaltrige Stephan Dietrich Rentzing, der Hausherr auf dem Sundwiger Kirchenkotten. Gegenwind von anderen Pfarrern aus der Synode und auch aus Hemer gab es jede Menge, aber diese kleine Herrnhuter Bewegung hat sich durchgesetzt. So wie auf dem Beckerhof und auf dem Kaiserhof trafen sich hier in Sundwig die Erweckten in der späteren Sundwiger Mühle bei der Familie Rentzing-Alberts. Sogar einen eigenen Betsaal für die dortigen Erbauungsstunden haben sie sich da 1762 eingerichtet [Näheres zum Betsaal, der1762 gebaut wurde, HIER], sehr zum Unwillen einiger Hemerscher Kirchenleute, aber mit Billigung der Deilinghofer Gemeinde; denn dort wirkte später von 1765 bis zu seinem Tod Pfarrer Gottfried W.A. Dümpelmann (1741 bis 1791) an der Stephanuskirche, ein ganz und gar pietistisch ausgerichteter Pfarrer, der im herrnhutischen Sinn erweckt war. Der gleiche Dümpelmann war auch für die neu gegründete Ansiedlung Stephanopel zuständig, ursprünglich eine Garnbleiche bei einem Patrizierhaus, wo der Verwalter, der Faktor Caspari, ein Bruder aus der Brüdergemeine war. Dieses Patrizierhaus "Haus Stephanopel" blieb auch über lange Zeit eine missionarische Außenstation von Deilinghofen, denn dort fanden ebenfalls riesengroße Missionsfeste für die Frommen der Umgebung statt: seit Ende des 19. Jahrhunderts bis nach dem Zweiten Weltkrieg.
Vom Deilinghofer Alten Pastorat aus hatte Pfarrer Dümpelmann einen später sehr berühmten Schüler, dem er der geistliche Vater und ein enger Freund wurde: Das war der Iserlohner Bauernkirchenpfarrer und Erweckungsprediger Johann Abraham Strauß (1754 bis 1836), der originellste Pfarrer, den Iserlohn je gesehen hat, der auf seinem Schimmel reitend die Dörfer seiner Kirchspielgemeinde ringsum Iserlohn von der Grüne bis zur Iserlohner Heide, von der Frönsberg bis Ihmert und Evingsen seelsorgerlich zu betreuen hatte. Ganz so doll wie bei der Oberbergischen Erweckungsbewegung war es beim alten Strauß nicht, dass Tausende kamen, aber die Leute kamen aus von weither in seine Gottesdienste, und in der Bauernkirche mussten Fenster und Türen geöffnet werden, um bei den erwecklichen Predigten die Mengen zu fassen. Sogar der preußische Hof hatte vom Wirken des alten Strauß positiv gehört, und der König bewirkte es, dass Strauß im Alter zum Ehrendoktor der Theologie wurde. In Berlin war der Sohn des alten Strauß Gerhard Friedrich Abraham Strauß Hofprediger und Oberhofprediger und dazu Professor der Praktischen Theologie und auch Erweckungsprediger am Berliner Dom.
Die Herrnhuter Bewegung, die durch von Neuwied ausgeschickte Diasporaarbeiter immer neue Impulse in die Grafschaft Mark schickte, erreichte sogar den reichsten Mann Iserlohns Friedrich von Scheibler, der in der Franzosenzeit auch Bürgermeister war, und seine Ehefrau Luise von Scheibler [vgl. Friedhelm Groths Aufsatz über sie, die Herrnhuterin, die zu Blumhardt nach Bad Boll ging]. Und ferner konnte sich Strauß in den im Jahr 1827 z.B. darüber freuen, dass dem Dorf Ihmert eine Erweckungsbewegung geschenkt war, die Seelen in fast jedem Haus des Dorfes anrührte; Strauß kommentierte das auf seine originelle drollige Art mit: "Die Immen schwärmen". Die genannten Diasporaarbeiter der Brüdergemeine besuchten regelmäßig nicht nur die Pfarrer im Bereich Hemer und Iserlohn, sie gingen auch weiter, Richtung Sauerland, nach Dahle, nach Altena, nach Ihmert und nach Lüdenscheid. Vieles, was da später an Leben entstand, wurde von Herrnhutern vorbereitet. Z.B. der eingangs genannte Pfarrer August Rauschenbusch in Altena stand (wie sein Vater schon) in regelmäßigem Kontakt mit den Herrnhutern.
Und namentlich der im vorigen Abschnitt genannte Peter Wilhelm Kaiser, der "Liederkaiser", der kannte die Erweckten in der Sundwiger Mühle und die Erweckten in Stephanopel aufs beste. Sundwig und Stephanopel gehörte zu seinem Netzwerk dazu - das kommt ein paar Mal in Dietrichs Buch Band 2 vor.
Und ich schließe mit diesem Mann [Bild rechts], der auch bei Dietrich am Ende von Band 2 vorkommt, mit Fritz Richter aus Pillingsen [Bild rechts]. Das ist der Gemeindegründer der Iserlohner Freien ev. Gemeinde in der Grüne. Fritz Richter war mit Fritz Gerlach (so sagen es Iserlohner Archivunterlagen) 1887 durch das Zeugnis eines Arbeitskollegen zum Glauben erweckt worden, und sie suchten nach lebendigem Christentum in Gemeinschaften in der Nähe, dabei werden besonders die drei Orte Dahle, Deilinghofen und Hemer genannt, die den Neubekehrten und Suchenden Anschluss boten. Ja, von Leuten aus Hemer hätten sie sogar den Tipp bekommen, eigene Erbauungs- und Gebetsstunden in Pillingsen zu versuchen. Also war das geistliche Leben, das im Zusammenhang mit den Herrnhutern entstanden war, für die ersten Gründer der Iserlohner Freie evangelischen Gemeinde auch eine wichtige Station. Näheren Anschluss fanden die beiden in Altena, und schließlich wurden ganz kleine Erbauungsstunden in Fritz Richters Haus in Pillingsen in der Nähe der Grüne eingerichtet, die von Lüdenscheid aus mit Brüdern bedient wurden, die am Wort dienten, bis schließlich in der Grüne die Tochtergemeinde von Lüdenscheid ihr eignes großes Gemeindehaus der Freien Evangelischen Gemeinde bezog, das die geistliche Heimat vieler Christen dort wurde.

Über zwei Jahrhunderte Domizil der Freunde der Herrnhuter Brüdergemeine in Sundwig: Der frühere Deilinghofer Kirchenkotten in Sundwig der Familie Rentzing/Alberts, die heutige "Sundwiger Mühle":