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Schwäbisch Gmünd Bahn lässt Asylbewerber keine Koffer mehr tragen

Die Bahn beendet das umstrittene Flüchtlingsprojekt am Bahnhof von Schwäbisch Gmünd. Dort helfen seit dieser Woche Asylbewerber den Reisenden beim Koffertragen - für 1,05 Euro die Stunde. Ab Donnerstag übernehmen Bahn-Mitarbeiter den Job. In der Stadt herrscht Unverständnis.
Kofferträger in Schwäbisch Gmünd: 1,05 Euro Stundenlohn für Asylbewerber

Kofferträger in Schwäbisch Gmünd: 1,05 Euro Stundenlohn für Asylbewerber

Foto: Thomas Mayr

Schwäbisch Gmünd - Es war ein ungewöhnliches Projekt, das sich Stadt und Bahn in Schwäbisch Gmünd ausgedacht hatten: Während der Umbauarbeiten am Bahnhof sollten Asylbewerber den Bahnreisenden beim Koffertragen helfen. Dafür sollten die Flüchtlinge, die sich freiwillig zur Arbeit gemeldet hatten, jedoch nur 1,05 Euro pro Stunde erhalten. Mehr lässt das Asylbewerberleistungsgesetz  nicht zu.

Am Mittwoch hat die Bahn das Projekt beendet. "Die konkreten Beschäftigungsbedingungen sind der Deutschen Bahn erst jetzt bekannt geworden", teilte das Unternehmen in Stuttgart mit. Arbeitsverhältnisse zu diesen Konditionen könne die Bahn nicht unterstützen. Dieter Maier, Leiter des Bahnhofsmanagements, war bei der Vorstellung des Projekts am Montag zwar anwesend, von den Umständen, unter denen die Flüchtlinge arbeiten, hat er jedoch offenbar nichts mitbekommen. Ab Donnerstag werde die Bahn eigene Mitarbeiter einsetzen, die nach Tarif bezahlt werden, sagte ein Unternehmenssprecher.

In der Stadt Schwäbisch Gmünd herrscht Unverständnis über die Entscheidung der Bahn. "Wir sind nicht glücklich über die Entscheidung und hätten das Projekt gern fortgeführt", sagte Stadtsprecher Markus Herrmann. Die Asylbewerber seien sehr enttäuscht gewesen, als sie vom Aus erfuhren.

Asylbewerber bekommen 346 Euro pro Monat

Ähnlich äußerte sich Bernd Sattler vom Arbeitskreis Asyl. Für die Flüchtlinge sei der Job am Bahnhof eine Gelegenheit gewesen, der großen Langeweile in der Gemeinschaftsunterkunft zu entfliehen. Kritik an dem Projekt könne allenfalls auf einem Missverständnis beruhen, sagte Sattler. "Wir müssen pragmatische Lösungen finden, um die Asylbewerber zu integrieren. Projekte wie das Koffertragen am Bahnhof ermöglichen ihnen soziale Kontakte. Anders können wir das gar nicht leisten."

Er verwies darauf, dass Flüchtlinge in Schwäbisch Gmünd bereits in der Behindertenhilfe und in Altenpflegeeinrichtungen tätig seien. "Die Asylbewerber fühlen sich dadurch enorm aufgewertet und werden als gleichberechtigte Kollegen wahrgenommen." Außerdem habe die Beschäftigung bereits mehreren Asylbewerbern geholfen, deren Aufenthaltserlaubnis im Zuge einer Härtefallentscheidung verlängert wurde.

Natürlich sei die Bezahlung von 1,05 Euro generell ungenügend, sagte Sattler. Nur müssten dafür die Bundesgesetze erhöht werden. Gegenwärtig bekommen Asylbewerber pro Monat 346 Euro ausgezahlt. Maximal 100 Euro dürfen sie ohne Abzüge hinzuverdienen.

syd