WhatsApp in der Schule: Blitzschnell am Datenschutz vorbei

Digitale Kommunikation in der Schule

In vielen Kollegien kommunizieren Lehrer*innen ganz selbstverständlich in Einzel- und Gruppenchats per WhatsApp – untereinander, mit Schüler*innen oder mit Eltern. Wie sind diese Konstellationen zu bewerten? Was ist erlaubt?

Eine Situation, die vermutlich den meisten Lehrer*innen bekannt vorkommt: Am Dienstagmorgen ist ausgerechnet die Kollegin erkrankt, deren Unterlagen für die nicht aufschiebbare Konferenz am Nachmittag benötigt werden. Der Kollege, der für die Abwicklung verantwortlich ist, hat die Lösung längst parat: Ein Griff zum Mobiltelefon und schon ist die Kollegin in Echtzeit über die Notlage informiert – schließlich kennt man sich schon seit Jahren und ist auch privat befreundet. Drei Minuten später sind die Fördergutachten, Zeugnisnotenlisten oder protokollierte Schüler*innenaussagen über die Rauferei auf dem Schulhof abfotografiert und auf dem Weg zum erleichterten Kollegen. Effiziente Arbeit, die allerdings einen Haken hat.
Bei diesem Vorgang handelt es sich eindeutig um dienstliche Kommunikation mit personenbezogenen Daten von Schüler*innen. Welche personenbezogenen Daten in Schulen verarbeitet werden dürfen, regeln die §§ 120 bis 122 des Schulgesetzes. Sie beziehen sich auf die „allgemein geltenden datenschutzrechtlichen Vorschriften“ –  etwa auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung im Datenschutzgesetz NRW (DSG NRW) – und auf die „Verordnung über die zur Verarbeitung zugelassenen Daten von Schülerinnen, Schülern und Eltern“ (VO-DV I). Letztere definiert, welche Daten zur „Erfüllung dienstlicher Aufgaben“ verarbeitet werden dürfen. Diese Regelungen sind für den Schulbereich strenger als für Privatpersonen.

Dienstliche WhatsApp-Nachrichten

Hinzu kommt, dass zwischen der Datenverarbeitung in der Schule und auf privaten Geräten unterschieden wird: Anlage 3 der VO-DV I regelt, welche personenbezogenen Daten Lehrkräfte auf ihren privaten Geräten verarbeiten dürfen. Das bedeutet für die eingangs genannten Beispiele, dass nur die Zeugnisnotenlisten für das unterrichtete Fach – als Klassenlehrer*in über alle Fächer – auf dem eigenen Gerät verarbeitet werden dürfen. Fördergutachten oder Gesprächsprotokolle sieht die VO-DV I nicht vor – sie dürfen auf eigenen Geräten nicht verarbeitet werden.
Die VO-DV I regelt außerdem, dass die Schulleitungen für den Datenschutz an Schulen verantwortlich sind. Für WhatsApp bedeutet das: Lehrkräfte dürfen personenbezogene Schüler*innendaten nur auf Antrag bei der Schulleitung auf eigenen Endgeräten verarbeiten. Der Antrag muss gemäß § 8 DSG NRW ein Verfahrensverzeichnis enthalten, das den ordnungsgemäßen Umgang mit den personenbezogenen Daten dokumentiert. Darüber hinaus müssen Schulleitungen bei dienstlicher Kommunikation jederzeit überprüfen können, ob technisch und organisatorisch sichergestellt ist, dass auf entsprechende personenbezogene Daten ausschließlich der mit der dienstlichen Aufgabenstellung betreute Personenkreis zugreifen kann
(§ 1 Abs. 1 VO-DV I).
Diese Regelungen gelten auch für den Anbieter WhatsApp. Damit der Instant-Messaging-Dienst für die dienstliche Kommunikation in Schule eingesetzt werden darf, müssten die Schulleitungen jedoch einen Vertrag über „Datenverarbeitung im Auftrag“ mit WhatsApp abschließen (§ 11 DSG NRW), um die Datensicherheit zu gewährleisten. Um mit der Datenverarbeitung betraut zu werden, müsste WhatsApp selbst als „die Datensicherheit gewährleistende und zuverlässige Institution“ gelten (§1 Abs. 3 VO-DV I). All das ist ein schier unmögliches Unterfangen, da das zu Facebook gehörende WhatsApp ein kalifornisches Unternehmen ist und damit amerikanischem Datenschutzrecht unterliegt.
Sämtliche Regelungen gelten übrigens auch für dienstliche Kommunikation, die personenbezogene Daten von Lehrer*innen enthält. Näheres regelt hier die „Verordnung über die zur Verarbeitung zugelassenen Daten der Lehrerinnen und Lehrer“ (VO-DV II). Falls die Kolleg*innen wollten, dass ihre personenbezogenen Daten mit einem externen Anbieter verarbeitet würden, käme dies nur freiwillig auf Basis einer rechtsgültigen Einverständniserklärung zustande: Niemand kann gezwungen werden, an der WhatsApp-Kommunikation des Kollegiums teilzunehmen.

Elternarbeit und Schüler*innenkontakt

Elternarbeit und die Kommunikation mit  Schüler*innen sind folglich nur möglich,wenn es im hektischen Schulalltag gelänge, nicht dienstlich und ohne Personenbezug über WhatsApp zu kommunizieren, das heißt wenn in den Nachrichten nur Unverfängliches abgesprochen würde, beispielsweise Termine. Dabei ist die Grenze zu personenbezogenen Daten fließend, denn schon Dienst- oder Vertretungspläne zählen als solche. Hinzu käme, dass Kolleg*innen einem nicht zu unterschätzenden sozialen Druck ausgesetzt wären, vielleicht doch – und sei es nur ausnahmsweise – die Noten von Schüler*innen online zu diskutieren.
Soll WhatsApp unterrichtlich genutzt werden, müsste dies in jedem Falls diskriminierungsfrei geschehen: Niemand darf gezwungen sein, WhatsApp auf seinem Gerät zu installieren, um am Unterricht teilnehmen zu können. Und  es darf nicht als selbstverständlich betrachtet werden, dass alle Schüler*innen über ein eigenes Smartphone verfügen. Zusätzlich muss das nicht immer triviale Urheberrecht beachtet werden. So müssen mögliche Rechteinhaber*innen befragt werden, ob sie einer Veröffentlichung ihres Werks zustimmen. Dies gilt zum Beispiel für Unterrichtsmaterial, Fotos und Karikaturen.

Rechtssichere Plattform schaffen

Zwar lobt die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit in ihrem
23. Datenschutzbericht die bei WhatsApp eingesetzte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Dennoch verbleiben aus ihrer Sicht einige datenschutzrechtlich fragwürdige Aspekte: Erstens ist die Verschlüsselung nicht transparent. Das heißt: Es ist nicht bekannt, ob WhatsApp nicht doch einen Schlüssel generieren kann, um private Inhalte zu lesen. Zweitens ist unbekannt, wie WhatsApp mit Metadaten verfährt, etwa mit Informationen darüber, wer mit wem kommuniziert oder wer beim Dienst angemeldet ist. Und drittens gibt WhatsApp alle Kontakte im Adressbuch des Geräts an Facebook weiter. Besonders pikant: Dies geschieht auch bei Personen, die der Weitergabe ihrer Daten nicht zugestimmt haben – hierfür könnten die unbedachten Nutzer*innen von WhatsApp rechtlich belangt werden. Gerade im schulischen Rahmen ist das höchst kritisch.
Die Kolleg*innen in den Schulen brauchen eine rechtssichere Plattform für den Austausch personenbezogener Daten in der dienstlichen Kommunikation. Bis dahin können die Unterlagen, die für Logineo NRW entwickelt wurden, Orientierung geben – insbesondere die Rahmenmediennutzungsordnung, die Genehmigung für die Nutzung privater Endgeräte, das Rechte-Rollen-Konzept und die Dienstvereinbarung.

Björn Rützenhoff
Mitglied der AG Digitalisierung der GEW NRW

Fotos: Saktanong, salita2010 / Fotolia

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Kommentare (1)

  • Manfred Hochhardt Um es mit Reinhard Mey zu sagen: Wenn wir als Lehrkräfte irgendetwas digital machen wollen, benötigen wir „einen Antrag zur Erteilung eines Antragsformulars zur Bestätigung der Nichtigkeit des Durchschriftexemplars, dessen Gültigkeitsvermerk von der Bezugsbehörde stammt zum Behuf der Vorlage beim zuständigen Erteilungsamt.“ Glückliches Deutschland.
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